Warren Haynes

Man In Motion

Mascot
VÖ: 2011

Eine leidenschaftliche Liebeserklärung an den Soul

Ob mit der Allman Brothers Band oder The Dead, als Gastmusiker befreundeter Kollegen oder mit seiner Combo Gov’t Mule: Auslastung kennt Warren Haynes nicht. Der ausdrucksstarke Gitarrist und charismatische Sänger kann gar nicht anders, als ständig irgendwo und mit irgendwem Musik zu machen. Nun entsinnt sich der bärige Bursche auch noch einer Spielwiese, die er lange hat links liegen lassen: Projekte unter seinem eigenen Namen. Den Fehler von 1992, in Tales Of Ordinary Madness ein ziemlich steril klingendes Southern-Rock-Album für zwischendurch zusammenzustellen, begeht er kein zweites Mal.

Ist wohl auch gar nicht möglich, denn wenn Haynes heute den Mund zum Singen aufmacht oder seine Gitarre einstöpselt, kann der Ton gar nicht anders, als organische Wärme abzustrahlen und irgendwie nach Gov’t Mule zu klingen. Freilich knüpft das neue Solowerk Man In Motion nur bedingt an den begnadeten Heavy-Blues und passionierten Jam-Rock mit großer Seele und unnachahmlicher Improvisationsgabe an, den der Regierungsesel im Spannungsfeld von Mountain, Cream, Elmore James und den Allmans in den Orbit schießt.

Die Scheibe ist kompakter und eine leidenschaftliche Liebeserklärung an den Soul. Der war immer eine tragende Komponente in seinem Sound, aber so deutlich wie hier hat er sie noch nie herausgeschält. Vor allem nicht in seinem Gesangsvortrag. Deutlich herauszuhören ist seine Begeisterung für die Stax-Aufnahmen von Albert King oder für Freddie Kings stark groovendes Werk der Frühsiebziger (›Real Lonely Night‹, ›Everyday Is A Holiday‹). Auch Reminiszenzen an Wilson Pickett blitzen gelegentlich auf (›Take A Bullet‹).

Obgleich immer nur Substitut für die härteren und jam-gesteuerten Momente bei Mule, bleiben die Stücke auf Man In Motion urtypisch für Warren Haynes und ein Genuss. Auch wenn man ihm die Ohren dafür langziehen möchte, dass er knapp zwei Minuten vor dem Ende des Titelstücks die sich warmgroovende Orgel nicht doch noch zum Solo abheben lässt.

(8.5/10)
TEXT: DANIEL BÖHM

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