Black Sabbath

Black Purple

Auf dem Papier scheint das am 7. August 1983 erschienene Born Again der Traum eines jeden Hardrock-Fans: Black Sabbath machen gemeinsame Sache mit dem einstigen Deep Purple-Sänger Ian Gillan. Tatsächlich ist es der Auftakt unsteter Jahre bei den Gründervätern des Heavy Metal.

Die Achtziger gelten als schwieriges Jahrzehnt für Black Sabbath. Dabei laufen sie vielversprechend an: Mit dem Einstieg des vormaligen Rainbow-Sängers Ronnie James Dio findet die zuletzt ins Straucheln geratene Band einen virtuosen und überaus charismatischen Ersatz für den gefeuerten Ur-Sänger Ozzy Osbourne, der Black Sabbath auf Edel-Alben wie Heaven And Hell (1980) und Mob Rules (1981) die Wiedergeburt in größtmöglicher Pracht ermöglicht.

Der Erfolg und die neue Ausrichtung von Black Sabbath führen zu Spannungen zwischen den Originalmitgliedern Gitarrist Tony Iommi und Bassist Geezer Butler auf der einen Seite sowie Dio und Schlagzeuger Vinny Appice auf der anderen: Während der Fertigstellung des Livealbum Live Evil (1982) kommt es zum Bruch und auf einmal steht die Existenz von Black Sabbath als Ganzes auf der Kippe.

Iommi baut die Gruppe neu auf: Die Position hinter den Kesseln übernimmt Rückkehrer Bill Ward, der die Truppe aus Birmingham zwei Jahre zuvor noch während der Tournee zu Heaven & Hell aufgrund von Alkoholproblemen verlassen hatte. Die Sängersuche gestaltet sich aufwändiger.

Zu den Kandidaten, die Bandchef Iommi vorschweben, gehören David Coverdale von Whitesnake, Nicky Moore, damaliger Vokalist der Londoner Hardrocker Samson und John Sloman von Lone Star. In seiner Biografie Iron Man (2012) berichtet der Riffgroßmeister außerdem von der Bewerbung des damals noch wenig bekannten Michael Bolton. Iommis Wahl fällt auf jemand anderen: Deep Purple-Stimme Ian Gillan soll den Gesang auf dem nächsten Album übernehmen.



Der 38-Jährige war 1973 nach vier intensiven Jahren beim Flaggschiff des orgelgetränkten Hardrock ausgestiegen und hatte die Dekade als Solokünstler und Unternehmer verbracht. Gillan reagiert zunächst zurückhaltend auf das Angebot, lässt sich aber auf ein Treffen mit Iommi und Butler in einem Pub überreden und sagt schließlich in bierseeliger Runde zu.

Im Mai 1983 beginnen die Aufnahmen zu Born Again — das dem Willen der Beteiligten nach aber kein Black Sabbath-Album werden soll. Manager Don Arden hingegen will den prestigeträchtigeren Bandnamen unbedingt nutzen und überstimmt die Bandmitglieder, erinnert sich Geezer Butler später in einem Interview: »Wir dachten, es wird eine Art Gillan-Iommi-Butler-Ward-Platte. So sind wir die Musik angegangen. Als wir die fertige Scheibe beim Label vorstellten, haben sie uns dann den Vertrag vorgelegt, in dem eine Veröffentlichung unter dem Namen Black Sabbath vorgeschrieben war.«

Schon die Texte deuten an, dass Born Again eine deutlich andere Richtung einschlägt als die bisherigen Werke der Metal-Gründerväter: Anders als die eher Fantasy-begeisterten Geezer Butler und Ronnie James Dio lässt sich Ian Gillan — der während der Aufnahmen in einem edlen Zelt vor den Manor-Studios residiert — von sehr realen Begebenheiten inspirieren.

So führt etwa die Fahrt des angetrunkenen Sängers in Bill Wards Auto auf der zum Studiogelände gehörenden Go-Kart-Strecke und dem daraus resultierenden Unfall zum Text des Eröffnungsstücks ›Trashed‹, während ›Disturbing The Priest‹ von Probe-Erlebnissen handelt: Ein Pfarrer hatte sich über den Krach aus dem unweit der lokalen Kirche liegenden Proberaums beschwert.



Als das Album am 7. August 1983 erscheint, sind die Kritiken größtenteils negativ; ungeachtet dessen schafft es die Platte auf Platz vier der britischen LP-Charts und in die Top 40 in den USA. In Deutschland kletert die Platte bis auf Rang 37.

Die von Steve „Krusher“ Joule gestaltete Plattenhülle ziert ein Dämonenbaby mit langen Fingernägeln und Vampirzähnen und gehört zu den hässlichsten Covern der Rockgeschichte. Auch an der Musik scheiden sich die Geister: Die Kombination von Gillans markanter Stimme mit dem düsteren, sehr harten Instrumental-Fundament ist mindestens gewöhnungsbedürftig.

Erhabene Momente bringt sie dennoch hervor: So wahnsinnig wie beim Schlussteil von ›Disturbing The Priest‹ wird man Gillan nie mehr singen hören, und auf die Polyrhythmiken ist Bill Ward bis heute zurecht stolz. In ›Zero To Hero‹ verschmelzen psychedelischer Blues-Rock und Heavy Metal zu einem hypnotischen Stampfer und der Titeltrack ist die womöglich schönste Power-Ballade der Herren aus Birmingham.

Knackpunkt der Scheibe ist aber die diffuse Produktion, in der viele Klagdetails verschwimmen. »Irgendwo zwischen dem Mix und der Pressung der Platte ist etwas extrem falsch gelaufen« rekapituliert Iommi später. »Der Sound war dumpf und matschig geworden, aber da wir bereits auf Tour in Europa waren, hörte ich das fertige Album erst, als es bereits veröffentlicht und in den Charts war. Das Album klingt schrecklich.«



Die Tour wird zu einem mittelschweren Desaster: Bill Ward erleidet einen Rückfall und wird noch vor der Rundreise durch ELO-Schlagzeuger Bev Bevan ersetzt. Ian Gillan hat derweil Probleme, die Texte der älteren Sabbath-Songs zu lernen und nutzt bei den Shows Textblätter, die er vor sich auf den Boden klebt — aufgrund des Trockeneisnebels aber nicht lesen kann.

Als Bühnenkulisse soll ein Nachbau von Stonehenge zum Einsatz kommen, die allerdings dermaßen überdimensioniert ist, dass sie in vielen der gebuchten Hallen keinen Platz findet: Immerhin inspiriert diese Episode zu einer Szene in der fiktionalen Band-Dokumentation This Is Spinal Tap (1984).

Zum Ende ihrer Gastspielreise zerfällt die Band: Gillan, der sowieso das Gefühl hat, der falsche Sänger für Black Sabbath zu sein, steigt 1984 aus und wird im Zuge der Wiederauferstehung der MK-II-Besetzung von Deep Purple im gleichen Jahr mit Perfect Strangers gefeiert. Geezer Butler will derweil mehr Zeit mit seinem kranken Sohn verbringen.

Born Again ist Auftakt einer unsteten Zeit für Black Sabbath: 1985 steht Iommi der Sinn nach einer Soloplatte, letztlich erscheint Seventh Star (1986) aber doch als Teil des Sabbath-Gesamtwerks, wenn auch mit dem Zusatz „featuring Tony Iommi“. Am Mikro steht abermals ein Purple-Mann: Glenn Hughes macht seine Sache unerwartet gut in zupackenden Nummern wie ›In For The Kill‹, auf Tournee versagt er jedoch komplett. Schuld sind gesundheitliche Probleme nach einer Schlägerei, vor allem aber der Kokainkonsum des Sängers, der prompt gefeuert wird.

Als Nachfolger holt der Gitarrist Ray Gillen zu Black Sabbath — einen jungen New Yorker, der bald mit dem Saitenvirtuosen Jake E. Lee und Badlands bekannt werden wird. Mit ihm macht sich die Band in den Air Studios in Montserrat im Oktober 1986 an die Aufnahmen von The Eternal Idol. Dass auch diese Inkarnation — mittlerweile ist Iommi das einzig verbliebene Originalmitglied der Gruppe — schnell wieder Geschichte ist, sei dem Party-Leben des begnadeten Sängers und seinem ihm zu Kopf gestiegenen Starruhm geschuldet, erinnert sich Tony Iommi später.

Ende der Achtziger prägte die Stimme Tony Martins unerwartete Höhepunkte der Band mit Headless Cross (1989) und Tyr (1990), ehe Ronnie James Dio 1992 kurzzeitig für Dehuminizer zurückkehrte.


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