Molly Hatchet

Flirtin’ With Disaster (1979)

In den späten Siebzigern gewinnen Molly Hatchet unter der Obhut von Lynyrd Skynyrd-Sänger Ronnie Van Zant an Format. Rasch entwickelt sich das Sextett zu einem der härtesten Genre-Vertreter neben Blackfoot.

Als der junge Gitarrist Dave Hlubek 1971 in Jacksonville (Florida) Molly Hatchet gründet, hat er gerade die High School beendet. Seine Begeisterung für Rockmusik haben einige Jahre zuvor die Beatles entfacht, doch mittlerweile steht er auf härteres Zeug wie Cream, die Doors und Jimi Hendrix. Mit Steve Holland und Duane Roland rekrutiert er zwei weitere Gitarristen, hinzu kommen Bassist Banner Thomas, Schlagzeuger Bruce Crump und schließlich Sänger Danny Joe Brown, nachdem Hlubek zunächst selbst am Mikro gestanden hatte.

»Danny hatte einen unserer Gigs gesehen und fand meinen Gesang ziemlich scheiße«, erzählte Hlubek später in einem Interview. »Er war davon überzeugt, das wesentlich besser zu können. Wir haben ihn dann zu unserem nächsten Auftritt eingeladen und ihn fünf Stücke singen lassen: Wir waren ziemlich von den Socken.«


 


Pat Armstrong, der Manager von Molly Hatchet, bringt die Band im Sommer 1977 mit Ronnie Van Zant zusammen: Der Sänger von Lynyrd Skynyrd hat eingewilligt, sich im Studio seiner Band um die ersten Demoaufnahmen von Molly Hatchet zu kümmern. Gemeinsam mit dem Tontechniker Kevin Nelson lässt er den Nachwuchs eine Woche lang unermüdlich proben. »Ronnie war sehr pragmatisch und hat uns viele hilfreiche Tipps gegeben. Er hat uns dabei geholfen, einen eigenen Sound zu finden, mit dem wir uns als regelrechte Gitarrenarmee präsentieren konnten.« Auch als Produzent ihres ersten Albums ist Van Zant eingeplant. Doch von Lynyrd Skynyrds schicksalhafter Street Survivors-Tour sollte er nach dem verheerenden Flugzeugunglück nicht mehr heimkehren. 

Stattdessen beginnen Molly Hatchet eine langjährige Kollaboration mit Starproduzent Tom Werman. Im September 1978 erscheint ihr selbstbetiteltes Debüt, das von einem stilprägenden Frank Frazetta-Gemälde umhüllt ist und mit ›Gator Country‹ und der Adaption der Allman Brothers-Nummer ›Dreams‹ (die hier zu ›Dreams I’ll Never See‹ wird) Songs enthält, die auf große Gegenliebe stoßen: Binnen kürzester Zeit gehen mehr als eine Million Exemplare von Molly Hatchet über die Ladentheke.



Flirtin’ With Disaster (1979), das mit dem Titelstück ihren bekanntesten Song enthält, kann diesen Erfolg sogar noch übertreffen. Auch ›Whiskey Man‹, ›Gunsmoke‹ und ›Boogie No More‹ verstärken ihr ohnehin packendes Konzertprogramm, das Titellied gibt Danny Joe Brown aufs Neue Gelegenheit, seine basslastig-sinistre Stimme zu entfalten. Die LP steigt auf Platz 19 der Billboard-Charts ein; bereits kurz nach Erscheinen findet die Platte zwei Millionen neue Besitzer. Allerdings mehren sich Streitigkeiten zwischen den Bandmitgliedern, die im Ausstieg von Danny Joe Brown gipfeln — nach außen hin wird dieser mit Browns Diabetes-Erkrankung erklärt.

In Jimmy Farrar finden Molly Hatchet einen Ersatz, doch den schleichenden Niedergang der Band kann auch er nicht verhindern. Während Beatin’ The Odds (1980) noch Achtungserfolge verbucht, kann Take No Prisoners (1981) die Talfahrt nicht länger abbremsen. Dave Hlubek begegnet seinem Frust mit Kokain. Mit Rückkehrer Danny Joe Brown entsteht das achtbare No Guts… No Glory (1983), das mit ›Fall Of The Peacemakers‹ und ›Ain’t Even Close‹ gutklassige Lieder enthält. Doch als anstelle eines dritten Gitarristen Keyboarder John Galvin in die Band kommt und Molly Hatchet mit dem aalglatt produzierten The Deed Is Done (1984) in den Mainstream drängen, geht nichts mehr: »Ich hatte damals ein ernsthaftes Kokainproblem«, gesteht sich Hlubek später selbst ein. »Ich habe bestenfalls zwei Stunden am Tag gearbeitet, die restliche Zeit lag ich völlig zugedröhnt in der Ecke.«



1987 zieht Hlubek die Reißleine und verlässt seine eigene Band. An seine Stelle tritt Gitarrist Bobby Ingram, der 1981 mit Danny Joe Brown dessen exzellentes Soloalbum Danny Joe Brown & The Danny Joe Brown Band eingespielt hatte. Ingram sieht die Fortführung der Gruppe seither als Lebensaufgabe, die er bis zum heutigen Tage erfüllt. Mit überraschend starken Alben wie Devil’s Canyon (1996), auf dem Phil McCormack seinen Einstand als Sänger gibt, Silent Rain Heroes (die Platte von 1998 ist eines der stärksten Southern-Hardrock-Alben der Neuzeit) oder Kingdom Of XII (2000) hält er Molly Hatchet am Leben. Ab 2005 gehört auch Dave Hlubek wieder zur Band, ehe er im September 2017 mit 66 Jahren einem Herzinfarkt erliegt.


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