Greta Van Fleet

Anthem Of The Peaceful Army

Universal
VÖ: 2018

Intuitiver Flug im Zeppelin

Es dürfte derzeit keine andere zeitgenössische Band im Classic-Rock geben, die stärker polarisiert und Emotionen schürt als Greta Van Fleet. Seit Monaten schon spukt ihr Name durch die Presse und zieht im Internet immer weitere Kreise; und obwohl das vor sechs Jahren als Teenager-Combo in Michigan gestartete Quartett im Grunde erst eine zum Mini-Album erweiterte EP vorzuweisen hatte (From The Fires, 2017), wurden ihre Konzerte in immer größere Hallen verlegt und waren dennoch in Windeseile ausverkauft.

Bei einem solchen Popularitätsschub in kürzester Zeit lassen despektierliche Hype-Vorhaltungen nicht lange auf sich warten. Der noch viel größere Vorwurf aber, den die junge Gruppe mit dem bizarren Namen auszuhalten hat, ist freilich ein anderer: Die in den Ohren vieler zur Perfektion gebrachte Led Zeppelin-Klonerie, die kürzlich auch Robert Plant zu einem amüsierten Statement hinriss. Die Parallelen sind auch auf ihrem ersten als solchem geschriebenen Album Anthem Of The Peaceful Army schwer zu überhören; am offensichtlichsten in der Stimme von Josh Kiszka, der lediglich zu Beginn im auch musikalisch etwas aus dem Rahmen fallenden ›Age Of Man‹ mehr an ein Mainzelmännchen oder zumindest einen sehr kleinen Fraggle erinnert, ansonsten aber bis in die Lautmalerei seiner Schreie hinein aufgetankt ist mit den Ereignissen der ersten vier Zeppelin-LPs.

Bei den Sounds der Gitarre seines Bruders Jake ist es nicht anders. Was Anthem Of The Peaceful Army zu einer wirklich besonderen Platte macht, ist die große Assoziationskraft der darauf festgehaltenen Musik, die hörbar aus einer jüngeren Generation des Heavy-Rock stammt, tatsächlich aber immer wieder vage Bilder von Led Zeppelin heraufbeschwört, mit denen Greta Van Fleet intuitiv zu malen scheinen. Ob im euphorisierenden ›Lover, Leaver (Taker, Believer)‹, das Led Zeppelin II mit ›People Let’s Stop The War‹ von Grand Funk Railroad kreuzt und sofort gefangen nimmt, in ›Cold Wind‹, das einen fest in den Arm nimmt, als wolle es beruhigend sagen: Alles wird gut.

Auch bei ›When The Curtain Falls‹, ›Watching Over‹ und vor allem dem süffigen und mit sanfter Orgel ausgestatteten ›You’re The One‹ spielen Greta Van Fleet in frischen Farben und mit einem Sentiment, das Rock-Begeisterte aus denselben Gründen berühren und begeistern sollte wie der Film-Klassiker Almost Famous. Wie lange sich so was wohl fortführen lässt?

(8.5/10)
TEXT: DANIEL BÖHM

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