The Cult

Hochamt im Schwitzkasten

Konzerte von The Cult sind immer ein Ereignis. Nicht zuletzt schon deshalb, weil sie hierzulande arg selten zu erleben sind. So führt sie die aktuelle Tour gerade mal nach Berlin, Hamburg und Köln. Ein volles Haus ist daher an diesem heißen Sommertag gewährleistet mit Temperaturen in der Halle auf Saunaniveau.

TEXT: AMIR SHAHEEN |FOTO: André Wilms

In gleißendes Licht und dicken Nebel getaucht, ruft die Szenerie Erinnerungen an ferne Wave- und Gothic-Tage hervor, Billy Duffys kernige Riffs machen aber sogleich deutlich, dass der Abend einen eindeutig rockig-groovenden Verlauf nehmen wird. Mit zwei betont heavy dargebotenen Stücken ihres Comeback-Albums Beyond Good And Evil (2001) steigen Duffy und Sänger Ian Astbury ein, die durch die Härte der tiefen Riffs fast ein bisschen an Alice In Chains und Audioslave erinnern.

Das Publikum wird langsam warm, woran der an dritter Stelle nachgelegte Electric-Gassenhauer ›Wild Flower‹ durchaus Anteil hat — noch mehr allerdings ›Star‹ von dem lange verkannten Album The Cult (1994), auf dem die Band konsequent den Groove suchte, und sich einen Sound erschloss, der dem von U2 auf Achtung Baby (1991) nicht ganz unähnlich ist.

Die Stones-Gitarren der Konserve sind völlig verschwunden, hier sind The Cult durch und durch zu hören, die ihr Publikum spätestens jetzt fest im Griff haben: »It’s so much better when you are dancing!«, freut sich Schamane Ian Astbury, ehe es zu einer zurückgenommenen Lichtshow mit ›Mirror‹ und damit einem Beitrag ihres noch aktuellen Albums Under The Midnight Sun von vor zwei Jahren weitergeht.

m Grunde ist es aber völlig wurscht, was The Cult im Einzelnen spielen; vielmehr als einem Konzert ähneln Auftritte dieser originären Band, die sich seit 1981 aus dem Wave- und Gothic-Sektor immer weiter in den Hardrock vorarbeitete, einem Hochamt, dem man beiwohnt und sich von der faszinierenden Aura Ian Astburys läutern lässt.


Die Setliste von The Cult am 4. August 2024 im Carlswerk Victoria, Köln:

In The Clouds
Rise
Wild Flower
Star
Mirror
The Witch
The Phoenix
Resurrection Joe
Edie (Ciao Baby)
Sweet Soul Sister
Lucifer
Fire Woman
Rain
Spiritwalker
Love Removal Machine
+++
Brother Wolf, Sister Moon
She Sells Sanctuary


Der nun auch schon 62-jährige Zeremonienmeister verfügt noch immer über eine der charismatischsten Stimmen im gesamten Rockbereich und bringt diese gekonnt zum Einsatz. Er singt nicht bloß einfach, er zelebriert seine Texte und interpretiert sich und seine Anliegen ein ums andere Mal auf ergreifende, mitreißende Weise.

Zur vollen Entfaltung kommt seine Stimme in der allein mit Duffy akustisch vorgetragenen Ballade ›Edie (Ciao Baby)‹ — die des Auditoriums im anschließenden ›Sweet Soul Sister‹ als weiteres Exponat aus dem Hardrock-Monument Sonic Temple (1989). Hier lässt er — als kleine Verneigung vor dem Auftrittsort Köln — leicht abgewandelt den Refrain von ›Vitamin C‹ der Kölner Avantgardisten Can einfließen.

Hatte Astbury sich vor Jahr und Tag noch über dauerfilmende Zuschauer beklagt (»You’re missing the experience!«), so kommentiert er diese leidige Praxis heuer nicht mehr; neben und vor allem auch hinter den Filmenden Stehende sind genervt. Nach ›Lucifer‹ als einzigem Stück von Choice Of Weapon ist die Band bei ihren großen Hits angekommen: ›Firewoman‹, ›Rain‹, ›Spiritwalker‹ und ›Love Removal Machine‹ beenden den regulären Set, dem als Zugaben ›Brother Wolf, Sister Moon‹ und natürlich dem hypnotisch-infektiösen ›She Sells Sanctuary‹ folgen.

Nach den mittlerweile für The Cult fast üblichen, gleichwohl viel zu kurzen 75 Minuten ist Feierabend. Aber Astbury verlässt die Bühne nicht, ohne explizit zu betonen, dies sei ein Neuanfang für The Cult, bereits im nächsten Jahr wollen sie wiederkommen.

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