Queensrÿche

In den Hallen von Hulk Hogan

Seit zehn Jahren steht Todd La Torre den Progressive-Metal-Veteranen Queensrÿche als Sänger vor. In Digital Noise Alliance ist das vierte Album seiner Ära erschienen.

TEXT: MARTIN RÖMPP |FOTO: Label/PR

Dank ihres an Klassikern nicht gerade armen Repertoires, das Queensrÿche in der ersten Dekade ihres Bestehens geschaffen haben, könnte sich das 1981 in Bellevue, Washington gestartete Quintett bequem auf Konzertengagements konzentrieren.

Doch die Truppe, in deren Reihen sich mit Gitarrist Michael Wilton und Bassist Eddie Jackson nur noch zwei Gründungsmitglieder befinden, hat weiterhin kreativen Biss. »Es mag Bands geben, die Platten nur deshalb aufnehmen, um einen Teil der Label-Kohle in die eigene Tasche zu stecken. Wir denken anders«, stellt Sänger Todd La Torre klar. »Ein neues Album wird immer für die Ewigkeit gemacht.«

Gemeinsam mit Produzent Christopher „Zeuss“ Harris, mit dem die Band bereits bei Condition Hüman (2015) und The Verdict (2019) zusammengearbeitet hat, schufen Queensrÿche gemeinsam das Material für Digital Noise Alliance — eine willkommene Neuerung für La Torre, der im heimischen St. Petersburg als Gastgeber fungierte.



»Keiner hatte fertige Ideen mitgebracht. Wir haben die Nummern von Grund auf entwickelt. Bei den Aufnahmen haben wir uns in Schichten abgewechselt. Wenn ich nach ein paar Stunden am Mikrofon gemerkt habe, dass ich eine Pause brauche, hat Michael übernommen und mit der Gitarre weitergemacht, während Eddie und ich draußen den Grill angeschmissen und das Abendessen zubereitet haben. So etwas ist für das Bandgefühl unglaublich wichtig und kann durch Videochats nicht ersetzt werden.«

Weil die Band einen organischen Klang wollte, entschied sie, das Schlagzeug in einem riesigen Raum in Wrestler Hulk Hogans ehemaliger Belleair-Villa aufzubauen und dort mit unzähligen Mikrofonen abzunehmen. Auch beim für Queensrÿche so charakteristischen Gitarrensound arbeiteten sie mit klassischem Equipment aus Wiltons Keller.

»Michael hat die ganzen alten Amps mitgebracht, die er bei The Warning, Rage For Order, Operation: Mindcrime, Empire und Promised Land verwendet hat. Wir haben viel experimentiert, sogar das Flanger-Pedal von 1982 kam zum Zug, das bei ›The Lady Wore Black‹ zu hören ist.«



Sehr emotional ist das ruhige ›Forest‹ ausgefallen, das vom Tod eines geliebten Menschen handelt. Ein Thema, das Texter La Torre, dessen Vater vor acht Jahren Suizid beging, ganz persönlich betrifft.

»Jeder Mensch muss lernen, mit solchen Verlusterfahrungen umzugehen. Manchmal meint man noch, die Gegenwart dieser Person zu spüren, und hofft auf ein Zeichen. Ich liebe an dem Song, dass er erwachsen klingt, simpel und doch effektiv ist. Ähnlich wie Pink Floyd bei ›Us And Them‹ haben wir der Nummer die Luft zum Atmen gelassen, anstatt alles musikalisch vollzustellen.«


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