Europe

Prisoners In Paradise (1991)

Mit Übergangswohnsitz in Übersee und unter der Regie von Journeys Manager Herbie Herbert nehmen Europe Anfang der Neunziger den US-Markt ins Visier. Auf Prisoners In Paradise lässt Hit-Produzent Beau Hill die Hardrock-Schweden ungewöhnlich amerikanisch klingen.

TEXT: DANIEL BÖHM

Bis 1986 waren Europe eine stinknormale Hardrock-Band aus der Nähe von Stockholm. Erst der immense Erfolg ihrer dritten LP The Final Countdown katapultierte sie in eine andere Welt: Playback-Shows im TV, Foto-Sessions für Posterbeilagen und Titelseiten der Teenie-Magazine sind zu viel für den Gitarristen John Norum, der angewidert aussteigt und durch Kee Marcello adäquat ersetzt wird.

Auf dem enormen Nachfolgewerk inszeniert Produzent Ron Nevison die Schweden deutlich härter und gereift; den immensen kommerziellen Erfolg des Vorgängers konnte das famose Out Of This World (1988) aber nicht wiederholen. Journey-Manager Herbie Herbert nimmt sich der Gruppe an und hat große Pläne: Mit der fünften Studio-Scheibe sollen Europe endlich auch den amerikanischen Musikmarkt knacken.



Dabei helfen soll der renommierte Hit-Produzent Beau Hill, der die zwischenzeitlich in die USA übergesiedelte Band ungewöhnlich kalifornisch klingen lässt. Der Weg zu Prisoners In Paradise ist steinig und zieht sich immer weiter in die Länge: Das vorgelegte Material ist ihrer Plattenfirma zu heavy und nicht hittauglich genug.

Externe Songwriter wie Jim Valance (Bryan Adams), Nick Graham (Cheap Trick) und Eric Martin (Mr. Big) sollen fit machen für die US-Charts; ein Teil der verworfenen Demos kursiert unter dem Banner Le Baron Boys — dem Decknamen von Europe, unter dem sie in L.A. und San Francisco zahlreiche Undercover-Konzerte spielten.

»Es ist das perfekte Beispiel für ein Album, auf das eine Plattenfirma zu viel Einfluss nahm«, bleibt Sänger Joey Tempest skeptisch. Muss er gar nicht. Prisoners In Paradise ist kompakt, organisch produziert und von einer brillanten Gitarrenarbeit veredelt: Mehr musikalischen Tiefgang hatten Europe selten.


ROCKS PRÄSENTIERT

DAS AKTUELLE HEFT

Cover von ROCKS Nr. 104 (01/2025).