Billy F. Gibbons

The Big Bad Blues

Concord
VÖ: 2018

Billy Gibbons ist als Gitarrist und Gesamtkunstwerk viel zu entrückt, um irgendetwas auf eine ganz herkömmliche Weise zu erledigen. Bewiesen hat er dies zur Genüge mit seinen geliebten ZZ Top, die er Schritt für Schritt aus dem Blues- und Texas-Boogie-Rock der Siebziger herausführte und in den Party-Mainstream-Sound der Achtziger hineinlotste. In den vergangenen zweieinhalb Dekaden hat sein legendäres Trio ein Zuhause im freakigen Schrat-Rock-Valley bezogen, aus dem sich speziell Gibbons so schnell nicht mehr herauslocken lässt.

Auch nicht vor drei Jahren bei seinem ersten Soloalbum Perfectamundo, auf dem er seine unnachahmlich knarzende Gitarre mit der rhythmischen Musiktradition Kubas zusammenführte. Dass der Nachfolger The Big Bad Blues nicht halb so apart anmutet, liegt mitunter daran, dass Gibbons die Vocoder-Effekte auf seinem Gesang auf ein gerade verträgliches Minimum reduziert hat und insgesamt bedeutend schlichter zu Werke geht. Überraschenderweise ist ausgerechnet dies die eigentliche Schwäche dieser Bluesrock-Platte, die ansonsten gar nicht so furchtbar weit von dem auf Perfectamundo gebotenen Grundsound abweicht.

Fast mechanisch wirkende Minimal-Drums sind seit Ewigkeiten fester Bestandteil der von Gibbons’ bevorzugten Klangästhetik, auf The Big Bad Blues verlieren sie jedoch schnell an Zauber. Was mit ›Missin’ Yo’ Kissin’‹ — ein Stück von Gattin Gilligan — so vielversprechend beginnt und in dem von Gibbons’ unnachahmlichen Understatement gekühlten ›Second Line‹ einen ZZ Top-tauglichen Höhepunkt findet, zieht als gleichförmige Songmasse bis zum Plattenende immer längere Fäden. Wie eine Wohltat wirken darin die dynamik- und soloreiche Adaption des von Muddy Waters bekannt gemachten ›Rollin’ And Tumblin‹ und der erlösend fidele Abschluss ›Crackin’ Up‹ (Bo Diddley), der von Perfectamundo übriggeblieben sein muss. Was wohl ein Produzent wie Rick Rubin aus dieser Platte herausgeholt hätte?

Keine Wertung
TEXT: DANIEL BÖHM

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