Einen Namen gemacht hat sich Jim Gaines vorrangig im weiteren Feld des Bluesrock. Aber auch in anderen Rock-Gefilden war der Produzent aktiv: Mitte der Achtziger etwa betreute er mit dem Sänger Steve Perry die Produktion des Journey-Albums Raised On Radio. Die nicht unumstrittene Scheibe erweist sich von Beginn an als schwieriges Unterfangen.
Nachdem die vorangegangenen Journey-Klassiker Escape (1981) und Frontiers (1983) vom Duo Mike Stone und Kevin Elson produziert worden sind, beschließt die Gruppe, dass bei ihrem nächsten Album eine Veränderung nicht schaden kann: Sie treten an Jim Gaines heran, der zumindest für einen Musiker in ihren Reihen ein vertrautes Gesicht ist.
»Ich kannte ihren Gitarristen Neal Schon bereits, als er erst fünfzehn war«, erinnert der Tonmeister sich. »Sie haben jemanden gesucht, der wie sie in San Francisco ansässig war, und wir haben es einfach mal miteinander probiert.«
Einfach soll indes kaum etwas werden. Das liegt vor allem an Frontmann und Aushängeschild Steve Perry, der innerhalb der Kapelle mehr und mehr das Ruder an sich zu reißen gedenkt. Kurz zuvor hat er sein erstes Solowerk Street Talk (1984) veröffentlicht, das sich gut verkauft hat und dessen Single-Auskopplung ›Oh Sherrie‹ gar auf Platz drei gelandet ist. »Er hat gemeint, wenn die Band will, dass er wieder zu Journey zurückkehrt, dann will er im Gegenzug die kreative Kontrolle haben. Dabei war er gar kein Gründungsmitglied.«
Zu diesem Zweck schwingt sich Perry auch in den Produzentensessel, während Gaines als Co-Produzent und Toningenieur ins Geschehen eingreift. Noch vor den Aufnahmen müssen Bassist Ross Valory und Schlagzeuger Steve Smith wegen Unstimmigkeiten gehen. Den Viersaiter übernehmen stattdessen Randy Jackson, auf den Perry schon bei Street Talk zurückgegriffen hat, sowie Bob Glaub. Smith wird bei immerhin drei Stücken noch als Drummer gelistet, für den Rest wird Larrie Londin als weiterer Session-Musiker engagiert.
»Außerdem hat alles ewig gedauert, weil Perry unbedingt die perfekte Platte machen wollte. Allein an seinem Gesang haben wir sechs Monate herumgedoktert«, stöhnt Gaines. »Hin und wieder haben wir die Arbeit auch unterbrochen, aber diese Pausen waren nicht so lang, als dass ich mit einer anderen Combo ein komplettes Album hätte realisieren können.«
So nimmt er zwischenzeitlich vier Songs für The Way It Is auf, die erste LP von Bruce Hornsby And The Range. Eigentlich soll Jim Gaines auch die weiteren Nummern von Hornsbys Debüt als Toningenieur betreuen, doch daraus wird nichts: »Ich kam aus der Journey-Sache nicht raus, weil ich einen Vertrag mit ihnen hatte. Es hat insgesamt ein geschlagenes Jahr gedauert, diese Platte fertigzustellen.«
Im Mai 1986 erscheint Raised On Radio schließlich — und erinnert stilistisch stark an Street Talk. Alles klingt keyboard-lastiger und deutlich poppiger. Kein einziges Lied kann das Jahrzehnt seines Entstehens verleugnen, und Gitarrenheld Neal Schon wird in den meisten Momenten ins zweite Glied verbannt.
Der betont kommerzielle Anstrich passt jedoch durchaus gut zu den Stücken der Scheibe, die es in den Billboard-Charts bis auf Platz vier schafft. Die für Journey typischen Hymnen ›Girl Can’t Help It‹ und ›Be Good To Yourself‹ avancieren genauso wie ›Suzanne‹ und die Ballade ›I’ll Be Alright Without You‹ zu Top-20-Hits in Amerika. Am Ende erhält das Werk Doppelplatin für zwei Millionen abgesetzte Exemplare. Das entspricht den Zahlen von Steve Perrys Solostreich, liegt aber deutlich unter den Verkäufen der Multi-Platin-Triumphe Escape (bis heute neun Millionen) und Frontiers (sechs Millionen).
Nicht wenige führen die abfallende Erfolgskurve auf die Ausrichtung von Raised On Radio zurück, doch auch die damalige Musiklandschaft dürfte ihren Teil dazu beigetragen haben: Die goldene Ära des AOR, die Anfang der Achtziger ihren Höhepunkt hatte, ist 1986 längst vom Glam Metal des Sunset Strip abgelöst worden. Mötley Crüe, Poison und Ratt heißen die neuen Rockhelden.
Da es um die Chemie in der verbliebenen Rumpf-Combo nicht mehr zum Besten bestellt ist, werden Journey 1987 auf Eis gelegt. Erst Mitte der Neunziger kommen sie in ihrer populärsten Besetzung mit Valory und Smith für das Comeback Trial By Fire wieder zusammen.
Dieser Text stammt aus ►ROCKS Nr. 27 (02/2012).