Dass ihnen die Ideen ausgehen könnten, schien einigermaßen abseitig. Und doch stand im Sommer 1977 die Richtungsfrage im Raum, als Queen in einem Londoner Aufnahmestudio zusammenkamen, um ihr sechstes Album entstehen zu lassen. Drei Jahre zuvor hatte der Gruppe Sheer Heart Attack (›Killer Queen‹) die Karriere gerettet, ehe sie auf A Night At The Opera (›Bohemian Rhapsody‹) und dem Gegenstück A Day At The Races (›Somebody To Love‹) alle Hemmungen ablegte und jede musikalische oder stilistische Einschränkung in ihrem Tun ignorierte. Wie könnte es also weitergehen für eine Band, die es zur Kunst gemacht hatte, in so einmaliger Manier dem Unmöglichen entgegenzustürmen, ihren Hardrock-Sound mit dramatischer Wucht immer wieder in die Welt des Pomp- und Progressive-Rock vorstoßen zu lassen und mit Operettenbombast und komplex überzeichneten Chor-, Stimm- und Gitarrenarrangements zu malen?
Dass im Studioraum nebenan die Sex Pistols gerade ihr epochales LP-Debüt einlärmten, hatte weniger Einfluss auf News Of The World als manch einer glauben machen möchte. Im Grunde setzten Queen fort, was sie noch wenige Wochen zuvor allabendlich während der überaus erfolgreichen Tournee zu A Day At The Races erlebten. Nicht zuletzt ihr Publikum:
Die Hymnen ›We Will Rock You‹ und ›We Are The Champions‹ holen die Zuhörer auf dem Höhepunktgefühl eines imaginären Konzerts voller euphorischer Mitgesänge ab und führen als ungewöhnliches Einstiegsdoppel in ein Album, das vergleichsweise kompakt und hymnisch den ersten Karriereabschnitt von Queen zusammenfasst. ›Sheer Heart Attack‹ ist mehr Metal als Punk — Roger Taylor hatte es nicht mehr rechtzeitig für ihr drittes Album fertigstellen können. Von Brian Mays stammen die Piano-Pomp-Preziose ›All Dead All Dead‹ und das famose Gitarren-Fest ›It’s Late‹, John Deacon lässt in ›Spread Your Wings‹ einen wunderbaren Klassiker springen.
Stark ist Taylors ›Fight From The Inside‹, das Queen mit Detective, Led Zeppelin und Billy Squire vernetzt. Grantig, heavy und wenig romantisch groovt ›Get Down, Make Love‹. So auch die abschließende Bar- und Cocktail-Jazz-Wonne ›My Melancholy Blues‹ — ein Geschenk des überirdischen Freddie Mercury. Dass ihre sechste Studio-LP in den britischen Verkaufscharts nicht an den Sex Pistols vorbeikam, die mit Never Mind The Bollocks ruppig den ersten Platz blockierten und die Band um Freddie Mercury auf Rang vier zum Stehen kam, tat dem enormen Erfolg von News Of The World keinerlei Abbruch.
Queen waren eine der größten Rockbands des Planeten. Und doch hatte sich die Rockmusik um sie herum spürbar verändert, als sie sich nach einer langen Welt-Tournee im Sommer 1978 mit dem lästigen, aber notwendigen Gedanken herumschlugen, ein weiteres Album aufzunehmen: Jazz wurde zu einer Platte, auf der die Band auf eine Zeit zu reagieren versuchte, in der ikonische Heavy-Rock-Gruppen wie ihre in Verdacht geraten, überholt und überflüssig geworden zu sein. Es ist ein leichteres und weniger muskulöses Album, auf dem gerade Brian May als Gitarrenkünstler zurücksteckt und das in erster Linie durch die Hit-Singles ›Don’t Stop Me Now‹ und die Doppel-A-Seite ›Fat Bottomed Girls‹ und ›Bicycle Race‹ in Erinnerung bleiben wird — und eine Zeit einläutet, in der sich Queen auf dem Weg hinein in die Achtziger radikal neu erfinden.
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