Dudley Taft

Funkenflug in der Goldenen Stadt

In seiner Musik hebt Dudley Taft die Grenzen zwischen Blues- und Heavy Rock, gehaltvollem Pop und dunklem Grunge auf. Auch Guitar Kingdom, das nunmehr achte Album des Amerikaners, besticht mit einer ausgesprochen eigenen Note.

Dudley Taft, 1966 in Washington, D.C. geboren, wuchs im Mittelwesten der USA auf und entdeckte bereits in jungen Jahren seine Liebe zur elektrischen Gitarre. Seine erste Schülerband gründete er zusammen mit Trey Anastasio (Phish) — seither fühlt er sich weniger einem einzelnen Stil als vielmehr der harten Gitarrenmusik als solcher verpflichtet.

»Ich mag es einfach, mit unterschiedlichen Musikstilen zu jonglieren«, raunt der in Cincinnati, Ohio beheimatete Sänger und Gitarrist, ehe er sich mit einem meckernden Lachen in seinen Studiosessel fläzt. »Manchmal gerate ich in Zweifel, ob ich mich mit der einen oder anderen Nummer nicht doch ein bisschen zu weit aus dem Fenster lehne. Aber meist fege ich diese Überlegungen genauso schnell wieder weg. Ich mag dieses biedermännische Schubladendenken in der Musik einfach nicht.«

Der 56-Jährige hat bewegte Jahre im Musikgeschäft erlebt, lebte in den achtziger Jahren in Los Angeles, ehe er Anfang der Neunziger nach Seattle übersiedelte und dort mit der Band Sweet Water Teil der Grunge-Bewegung wurde. »Es gibt viel zu viele Vorbehalte gegen diese Ära, ihren Bands und ihren Platten«, so der Mann mit dem zum Markenzeichen gewordenen Spitzbart.



»Ich habe weder davor noch danach solch einen Zusammenhalt unter Musikern erfahren. Wir haben damals öfters für Alice In Chains eröffnet, woraus eine innige Verbundenheit mit der Band entstand. Jerry Cantrell hat mich an manchen Abenden auf die Bühne geholt, um gemeinsam ›Rooster‹ zu spielen. Das erste Mal im Februar 1991 — da lag Dirt, auf dem der Song später landete, noch in weiter Ferne. Von Zeit zu Zeit vermisse ich diese Tage.«

Nach dem Abflauen der Grunge-Welle und inspiriert von ZZ Top, Stevie Ray Vaughan und Freddie King orientierte sich Taft Schritt für Schritt in Richtung Blues. Seine Begeisterung für groberen Seattle-Rock hat er sich aber bis heute bewahrt. In ›The Great Beyond‹ findet sich auch auf seinem neuesten ein Stück, das seinen Ursprung durchaus vor drei Dekaden hätte haben können. »Absolut richtig«, schlägt sich der Musiker lachend auf die Schenkel, der sein Haus samt integriertem Studiokomplex vor zehn Jahren von Peter Frampton kaufte.



»Ich hege eine feurige Beziehung zu meinem Fuzz-Pedal und muss hin und wieder einen schweren, düsteren Song auf die Reise schicken. Das sind dann Stücke, in denen dieser ganz spezielle Black Sabbath-Vibe mitklingt — wie auf Soundgarden- und Alice In Chains-Platten auch. ›The Great Beyond‹ ist so ein Kandidat. Wir haben die Nummer bei einem Studiobesuch in Prag finalisiert.«

In der tschechischen Hauptstadt strandeten Taft, Bassist Kasey Williams und Schlagzeuger Nick Owisanka im Herbst letzten Jahres. Anfang November stand die vorerst letzte Show des Power-Trios im brandenburgischen Lauchhammer auf dem Programm, danach zog es die Musiker in die Stadt an der Moldau.

»Prag ist klasse«, strahlt Dudley Taft, während er hibbelig den x-ten Schluck Kaffee nimmt. »Verpflegung und Unterkunft sind recht günstig, Spaß ist stets garantiert. Ich habe übers Internet ein Studio ausfindig gemacht, in dem wir uns zwei Tage lang austoben konnten, das passte perfekt. Wir hatten die Stücke bereits fertig im Gepäck, manches hatten wir bei früheren Sessions in meinem Studio schon eingespielt. Allerdings war ich nicht mit allen ursprünglichen Ergebnissen glücklich. Die erste Version von ›The Great Beyond‹ war viel zu lahm. Da fehlte der nötige Biss, der Drive. Erst in Prag flogen die Funken!«



Zur Vielfalt seines achten Studio-Albums trägt auch diese Komposition bei. Sie macht sich gut zwischen dem balladesken, an Gary Moore-Songs aus den frühen Neunzigern angelehnten ›Still Burning‹, dem erhaben dahinmarschierenden Bluesrocker ›Favorite Things‹ und dem autobiografischen, mit Stilelementen der frühen Rush-Ära spielenden ›Old School Rocking‹.

Das größte Überraschungsmoment bietet ›Darkest Night‹: Das einfühlsam instrumentierte Lied, zu dem Tafts Tochter Charmae erneut wundervollen Chorgesang beisteuerte, beschäftigt sich thematisch mit dem Verdruss gegenüber Korruption und anderen menschlichen Unarten. »Dieses Stück halten viele zunächst für eine Liebesgeschichte. Ich fand genau diesen Gegensatz zwischen lieblicher Musik und bissigem Text so reizvoll. Mit dem Song verhält es sich wie mit so vielen Dingen im Leben: Nicht alles, was von außen strahlend funkelt, hat einen liebenswerten Kern. Deshalb: Augen auf, Brüder und Schwestern!«



Dieser Text stammt aus ROCKS Nr. 94 (03/2023).

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