The End: Machine

Phase 2

Frontiers
VÖ: 2021

Eldorado mit entschärftem Dokken-Vibe

Als sich vor drei Jahren mit George Lynch (Gitarre), Jeff Pilson (Bass) und Mick Brown (Schlagzeug) drei Viertel der klassischen Dokken-Besetzung zu dieser neuen Band zusammentaten, weckte das Erwartungen, die nur schwer zu erfüllen waren. Während sich mancher Anhänger einen erheblich exhibitionistischeren Umgang mit den Spuren ihrer Herkunft gewünscht hatte, stand den Musikern ganz und gar nicht der Sinn nach Hardrock-Illusionen aus dem Sounddesignstudio der Achtziger: Ihr Debüt kam einer souveränen und zeitgereiften Fortführung dessen deutlich näher, was Lynch und Brown in den frühen Neunzigern bei Lynch Mob anstellten — auf ihrer zweiten Platte mit Sänger Robert Mason, der sich auch bei The End Machine die Ehre gibt. Phase 2 macht genau dort weiter.

Wenngleich anschmiegsamer als The End Machine, das man durchaus ein bisschen sacken lassen musste, um darin das gehaltvollste Album zu entdecken, das sich die involvierten Musiker in ihren jeweiligen Karrieren seit 1991 haben einfallen lassen. Phase 2 hingegen ist sofort da — und ein wahres Eldorado für die Bewunderer der Stil- und Soundschule von George Lynch, der mit seinem charakteristischen Spiel wie beiläufig beweist, weshalb er zur Garde der aufregendsten und geschmackvollsten Gitarrenhelden des harten Rock zu zählen ist. Abermals sind es die ersten zwei Lynch Mob-Scheiben, die dieser Platte das Setting bereiten. Wobei manche Gesangsmelodie ein zumindest latenter Dokken- und Back For The Attack-Vibe durchströmt (›Scars‹), den Mason aber sofort entschärft. ›Born Of Fire‹ spielt keck mit ›Hell Child‹ (Wicked Sensation), ›Tangled In The Web‹ und ›Dream Until Tomorrow‹ (Lynch Mob); abgekochte Nummern wie ›Prison Or Paradise‹, ›We Walk Alone‹ oder ›Dark Divide‹ hört man in dieser Autorität auch von diesen Musikern nicht alle Tage.

Und selbst das Wiederhören mit dem nun deutlich tiefergelegten Hauptriff von ›Crack The Sky‹ ist die helle Freude: Nerds kennen es aus dem Intro von Lynchs zweitem Lehrvideo von 1990, das während der Arbeit an Wicked Sensation entstand. Vergleichsweise platt aber ist ›Devil’s Playground‹, das symptomatisch für das letzte Drittel dieser Platte steht: Zwei zähnefletschende Qualitätsausreißer mehr hätten aus diesem guten Album einen Knaller gemacht. Dass Mick Brown aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand gewechselt ist und mittlerweile von seinem jüngeren Bruder Steve (zuletzt bei Oleander) ersetzt wird, fällt übrigens kein bisschen ins Gewicht.

(8.5/10)
TEXT: DANIEL BÖHM

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