Joe Satriani, Deep Purple

»Unser erstes gemeinsames Konzert war surreal«

Zu Beginn der Neunziger stehen Deep Purple vor der Zerreißprobe. Als Ritchie Blackmore 1993 zum letzten Mal aus Purple türmt und das Comeback der legendären MK-II-Besetzung während der laufenden Tournee zu The Battle Rages On beendet, spingt Joe Satriani für ihn ein.

TEXT: DANIEL BÖHM

Zu Beginn der neunziger Jahre stehen Deep Purple vor der Zerreißprobe. Die Wiederauferstehung der klassischen MK-II-Besetzung mit Perfect Strangers scheint eine geradezu fantastische Eskapade aus grauer Vorzeit zu sein — das waghalsige Slaves And Masters, auf dem sich schließlich der vormalige Rainbow-Sänger Joe Lynn Turner in Stellung brachte, führte das einst so stolze Hardrock-Flaggschiff an den Rand des Bankrotts.

Für The Battle Rages On kehrt schließlich Ian Gillan zurück — und mit ihm uralte Animositäten. Das 1993 erschienene Album bleibt das letzte Werk von Deep Purple mit Gitarrist Ritchie Blackmore, dessen Entstehung wir unser aktuelles Titel-Special in ROCKS Nr. 97 (06/2023) ► https://shop.rocks-magazin.de/hefte/einzelhefte/253/rocks-magazin-97-06/2023-mit-cd-bundle widmen.



Auch Joe Satriani spielt darin eine Rolle: Für The Extremist holte sich dieser 1992 erstmals eine richtige Band ins Studio und schuf ein Album, das durch die unerwartet natürlich klingenden Instrumental-Wonneproppen  ›Why‹, ›Friends‹, ›Motorcycle Driver‹, dem ›New Blues‹ und auch der sensiblen Ballade ›Cryin’‹ im Satch-Œevre unerreicht bleiben soll — 1993 schließlich wird er Nachfolger von Ritchie Blackmore, der ein letztes Mal Deep Purple verlassen hatte. Satch erinnert sich:

»Ich kann jeder Phase von Deep Purple etwas abgewinnen — Made In Japan ist aus der klassischen Phase meine Lieblingsscheibe. Von allen Episoden mit der Musik von Deep Purple ist diese vom 2. Dezember 1993 meine liebste: Als Ritchie Blackmore die Band mitten auf der Tour zu The Battle Rages On wieder verlassen hatte, bin ich kurzfristig für ihn eingesprungen. Ich bekam eine kleine Kiste mit Konzertmitschnitten ihrer Tour, anhand derer ich mich auf die Shows vorbereiten und die Songs in den aktuellen Versionen lernen sollte.



Ritchie war brillant. Bizarr waren aber diese plötzlichen Gitarrenpausen über manchmal mehrere Minuten. Roger Glover rief mich an, um sich zu erkundigen, ob ich wohl zurechtkäme. Ich habe ihn dann auf diese doch sehr ungewöhnlichen Arrangements angesprochen und wollte wissen, ob sie das genau so von mir hören wollten. Roger hat sich schlappgelacht und mich gebeten, genau das bitte nicht zu tun: Ritchie hätte bloß einfach keine Lust mehr gehabt, hat aufgehört zu spielen ist während der Shows von der Bühne verschwunden.



Unser erstes gemeinsames Konzert war dann ziemlich surreal. Es lief ganz prima bis zum Schluss des Zugabenteils. Da hat es mich dann doch noch übermannt. Ich stand dort wie eingefroren und dachte: Ich, Joe Satriani, die kleine Wurst aus Long Island, New York, stehe hier gerade in Japan als Gitarrist von Deep Purple auf der Bühne und werde gleich diesen großen Riff von ›Smoke On The Water‹ spielen. Dann erwachte ich aus meiner Trance und hörte die Stimme von Ian Gillan, der direkt vor mir stand, mich fragend anschaute und ins Mikrofon sagte: „Anytime you’re ready, Joe.“«


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