Auch wenn sich das Mitleid am Ende freilich in Grenzen hält: Wirklich zu beneiden sind Dream Theater nicht. Alleine von 1989 bis 1994 schufen die New Yorker in direkter Folge drei markerschütternd imposante Schlüsselwerke des Progressive Metal, die dem jungen Genre seine bis heute gültigen Klang- und Verhaltensweisen diktierten. Keins dieser Alben klang wie das vorherige — und diesem Anspruch blieben Dream Theater weiterhin lange eng verbunden.
Verlässlich gut ist die Band in ihrem Tun eigentlich immer gewesen. Musikalisch spannend waren ihre nach Train Of Thought (2003) entstandenen Studio-Platten aber nicht immer: Alles Visionäre, Innovative und Umwälzende schien es von dieser technisch so beschlagenen Band eben schon einmal gegeben zu haben, deren weitere Entwicklung sich fortan auf der Detail-Ebene vollzog.
Als dann Schlagzeuger und Sympathieträger Mike Portnoy die Gruppe 2010 verließ, setzte dies bei vielen ihrer alteingesessenen Fans einen Entfremdungsprozess in Gang, der erst mit den famosen Alben Distance Over Time (2019) und A View From The Top Of The World (2021) stoppte. So brillant gerade diese letzten beiden mit Schlagzeuger Mike Mangini entstandenen Platten waren: Rückkehrer Portnoy mit seinem markanten Spiel nun wieder in seiner alten Formation hören zu können, ist ein großes Geschenk.
Thematisch beschäftigt sich Parasomnia mit bösen Träumen, schweren Schlafstörungen und unterbewussten Verhaltensauffälligkeiten während des Schlafens und ist auch musikalisch ein durchaus harter Brocken, der Zeit einfordert, um Genusswirkung und Spannung zu entfalten. Eröffnet wird die Scheibe von der Albtraum-Ouvertüre ›In The Arms Of Morpheus‹, die musikalische Elemente aller nachfolgender Stücke anklingen lässt und so zusammenfasst — John Petruccis harte, tiefe Hacke-Riffs inklusive, die auch ›Night Terror‹ zu dominieren scheinen und den erlösenden Refrain umso wärmer strahlen lassen.
Während sich Stücke wie ›A Broken Man‹ (ein besonders schönes Beispiel dafür, wie effektiv Petruccis Riff-Salven, Portnoys Schlagzeug und die Orgel von Jordan Rudess zu einem wuchtvollen, trockenen und irrsinnig warmen Soundbild mit vielen kleinen Anlehnungen an Metropolis Pt. 2: Scenes From A Memory zusammenfinden können) oder das wendungsreiche, nach Streicherstart knallhart in die Vollen riffende ›Deep Asleep‹ als progressive Edelkost herausstellen, überraschen Dream Theater in der Mitte ihres Albums mit einem für ihre Verhältnisse beinahe geradlinigen Heavy-Stück, in dem Rudess die Purple-Orgel grollen und gluckern lässt: ›Midnight Messiah‹ ist eine weitere Nummer, die erheblich dazu beiträgt, dass Parasomnia als warmtönende Verbindung von Scenes From A Memory und Train Of Thought aufgefasst werden könnte. Ein bockstarkes Album, auf dem Dream Theater tatsächlich endlich wieder komplett klingen.