Dio

Holy Diver (Deluxe)

Rhino
VÖ: 1983

Klassiker aus einer anderen Welt

Als sich 1982 die Wege von Black Sabbath und Ronnie James Dio nach zwei ganz erstaunlichen Studio-Scheiben trennen und der stimmgewaltige Frontmann die Selbstständigkeit anstrebt, ist zumindest dieser sich sicher, kein riskantes Manöver, sondern genau den richtigen Schritt in eine vielversprechende Zukunft unternommen zu haben — von Gitarristen, die ihn fremdbestimmen, hat er nach seinen Erfahrungen mit Ritchie Blackmore und Tony Iommi jedenfalls genug. Gemeinsam mit seinen einstigen Kollegen Jimmy Bain (Bassist bei Rainbow) und Vinny Appice (Schlagzeuger bei Black Sabbath) sowie dem jungen Gitarristen Vivian Campbell startet er eine neue Band, die schon bald zu seinem Solo-Projekt umgedeutet werden wird. Zwei Jahre lang kann er das Zerwürfnis mit Campbell abwehren, nach Sacred Heart, ihrem dritten und letzten gemeinsamen Dio-Album, zieht der Gitarrist 1985 gekränkt und nachhaltig verärgert von dannen.

Die Parallelen zur Frühgeschichte von Ozzy Osbourne und seiner kurzzeitig unter dem Banner Blizzard Of Ozz firmierenden Band sind verblüffend — zumal sich auch Ronnie James Dio von seiner Gattin managen ließ. Davon abgesehen ist und bleibt das 1983 erschienene Dio-Debüt Holy Diver ein in Riffs, Schlagzeugspiel wie nicht zuletzt im göttlichen Gesang hochenergetisches Album, das sich passgenau auf dem Grat zwischen Hardrock und Heavy Metal platziert. Und ausschließlich aus Klassikern besteht, die dort weitermachen, wo Black Sabbath mit Heaven And Hell (1980) und Mob Rules (1981) aufhörten: Nummern wie ›Holy Diver‹, ›Gypsy‹, ›Don’t Talk To Strangers‹, ›Stand Up And Shout‹ oder auch ›Rainbow In The Dark‹ sind nicht wirklich von dieser Welt.
Es zeichnet sich ab, dass in den kommenden Monaten nicht nur reguläre Tonträger, sondern speziell auch Deluxe-Editionen wie diese einen kräftigen Preisanstieg erleben werden. Für einen Preis von gut 80 Euro muss dann allerdings etwas mehr geboten werden als bei diesem aus vier CDs bestehenden Set, von denen eine mit Outtakes, Single-Edits und einer Single-B-Seite bestückt ist und eine weitere mit dem durchaus hörenswerten Mitschnitt eines Konzerts der Holy Diver-Tour im Dezember 1983 in Fresno. Dort gab der Frontmann neben seinen neuen Solo-Stücken auch Songs aus seiner Zeit bei Rainbow und Black Sabbath um Besten.

Die beiden übrigen CDs beinhalten ein neues Remaster und den von Joe Barresi (Tool, Audrey Horne, Black Stone Cherry) angefertigten Remix von Holy Diver. Letzterer ist verhältnismäßig unauffällig geraten, aber durchaus hörbar — besonders gut in den Drum-Passagen von ›Straight Through The Heart‹, die hier weitaus angenehmer und besser in den Raumklang eingebunden wirken. Dazu gibt’s lesenswerte Begleittexte und einige Fotos sowie ein überarbeitetes Cover-Artwork von Marc Sasso, der unter anderem die beiden Dio-Alben Killing The Dragon (2002) und Master Of The Moon (2004) sowie die 2020er-Neuauflage von Angry Machines (1996) illustrierte. Wirklich empfehlenswert ist diese Edition durch den hohen Preis allerdings nicht.

Album: 10

(6.5/10)
TEXT: DANIEL BÖHM

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