Zum ersten Mal begegnet sind sie sich 1989: Ihre Väter Gregg Allman und Dickey Betts hatten gerade die Allman Brothers Band reformiert und waren dabei, mit der ehrwürdigen Formation zu einer Tournee kreuz und quer durch die USA zu aufzubrechen, als der damals 17-jährige Devon im Tourbus den sechs Jahre jüngeren Duane entdeckt, der sich sichtlich gelangweilt mit seinem Walkman beschäftigt. »Er hat Testament gehört!«, erinnert sich Devon Allman. »Die fand ich damals auch ziemlich cool. Das war ganz anderes Zeug, als unsere Eltern gehört haben. Wir hatten sofort einen Draht zueinander.«
Musik gemacht haben sie die nächsten Jahrzehnte aber strikt getrennt voneinander. Und weit abseits des Heavy Metal, der sie in jungen Jahren begleitete — letztlich sind sie eben doch die Kinder ihrer Väter. 2006 und 2010 veröffentlichte Devon Allman zwei hörenswerte Alben mit seinem Honeytribe, ehe er bei der um Cyril Neville aufgebauten Supergroup Royal Southern Brotherhood andockte und eine Reihe Solo-Alben aufnahm, die alle auf der Schnittstelle von Rock, Blues, Southern Soul und kernigem Jamrock zu fesseln verstehen.
Betts Junior hingegen brauchte ein wenig länger, um als Musiker ins Rampenlicht zu treten: Er spielte in der Gruppe seines Vaters und bei den Dawes, vor zwei Jahren bewies er sich auf einer ersten EP, die sich im Spannungsfeld von Southern- und Country-Rock bewegte. Heute bilden sie den Kern der siebenköpfigen Allman Betts Band, dem sich in Berry Duane Oakley zudem der Sohn eines weiteren Mitglieds der Originalbesetzung der Allman Brothers angeschlossen hat: Ein Tribut-Konzert für die 2017 verstorbenen Gregg Allman und Butch Trucks hatte den Startschuss zu diesem gemeinsamen Projekt gegeben, das in den zurückliegenden Monaten zu einer wahrhaftigen Band zusammengewachsen ist.
Ihr im vergangenen Jahr erschienenes Debüt Down To The River war überzeugend genug, um in der Jam-Roots- und Southern-Szene zwischen den Allmans, Blackberry Smoke und den Black Crowes auch ohne vorgehaltene Ahnentafel zu bestehen. Auf Bless Your Heart hat sich die Gruppe weiter emanzipiert. »Auf der ersten Platte waren wir einfach noch nicht soweit«, bestätigt Gitarrist Devon Allman, der seinem 1971 verstorbenen Onkel Duane mittlerweile wie aus dem Gesicht geschnitten scheint.
»Das war die Geburtsstunde unserer Band. Wir haben noch nach unserem Weg gesucht. Jetzt kennen wir ihn. Wir haben auch unseren Rhythmus gefunden. Das Vertrauen stimmt, wir fühlen uns miteinander wohl. Auf Down To The River haben wir noch weitgehend unsere Helden und Erinnerungen zelebriert, die neue Scheibe spielt sich viel mehr in der Gegenwart ab. Natürlich finden sich auch hier einige schöne Flashbacks — das Instrumental ›Savannah’s Dream‹ zum Beispiel. Stilistisch haben wir den Rahmen auf Bless Your Heart aber deutlich ausgeweitet.«
Eine vergleichbare Gruppe wie die Allman Betts Band hat es noch nicht gegeben: Man stelle sich vor, die Söhne von Mick Jagger, Keith Richards und Charlie Watts würden eine gemeinsame Band gründen. Dass seine Formation durch die Familienzugehörigkeit einen leichteren Start gehabt hätte, weist Devon Allman allerdings strikt von sich.
»Es gab immer wieder Leute, die uns schon früher zu einer solchen Band bewegen wollten«, erzählt er. »Eine Zweckgemeinschaft, die auf dem Papier cool aussieht, aber in der Musik nichts gebacken bekommt, wäre für uns nie im Leben infrage gekommen. Duane und ich sind seit unserer Kindheit befreundet. Klar, wir haben berühmte Väter, aber das ändert nichts daran, dass wir genauso unschuldig angefangen haben wie die Rolling Stones. Mick und Keith waren Freunde und mochten dieselbe Musik. Sie haben ein paar Songs geschrieben und fanden die Band, die diese mit ihnen spielt. Ich will uns nun wirklich nicht mit den Stones vergleichen, aber die Anfänge beider Bands waren sehr ähnlich.«
Einen Unterschied gibt es aber doch: Anders als anno 1962 bei den Rolling Stones sind bei einer Band mit Devon Allman, Duane Betts und Berry Duane Oakley Erwartungen vorprogrammiert. Devon Allman lacht. »Klar, das kann ebenso für wie gegen dich arbeiten. Sicher gibt es viele Leute, die neugierig auf uns sind, weil sie die Musik unserer Dads kannten. Ich hätte mir auch einen anderen Songwriting-Partner suchen können, aber Duane und ich sind miteinander befreundet, solange wir zurückdenken können. Es ergab so einfach Sinn. Während der Tour zu meinem letzten Solo-Album ist meine Mutter verstorben. Das hat mich extrem mitgenommen und ich musste mir eine Auszeit nehmen. Und just als ich die Tour fortsetzen wollte, starb mein Vater. Ich habe sieben Monate gebraucht, um halbwegs mit meiner Trauer klarzukommen«, berichtet der singende Gitarrist.
»Gegen Ende jenes Jahres habe ich dann ein großes Event zu Ehren meines Vaters organisiert und selbstverständlich habe ich dazu Duane und Berry eingeladen, die bei dem Konzert aufgetreten sind. Musik hat eine heilende Wirkung und verbindet. Und anschließend habe ich Duane gebeten, mit mir als mein Opening Act auf Tour zu gehen und am Ende jedes dieser Konzerte haben wir über ein paar Songs unserer Väter gejammt. Irgendwann ist dadurch das Bedürfnis entstanden, gemeinsam neue Songs zu schreiben. Hätte sich daraus keine Chemie ergeben, würde es die Allman Betts Band heute nicht geben. Es ist also wirklich die Geschichte einer Freundschaft, die in unsere Kindheit zurückreicht und bis heute immer weiter wächst.«
Wird ihre Band auch künftig nicht gänzlich ohne den historischen Kontext der Allman Brothers betrachtet werden, so legt er dennoch Wert auf ihre Eigenständigkeit. Zudem, betont er, gäbe es mindestens einen ganz wesentlichen Unterschied zwischen beiden Gruppen:
»Es wäre vermessen, das nicht zuzugeben: Was bei den Allmans musikalisch passiert ist, lässt sich nicht rekonstruieren. Du kannst nur probieren, ganz grundlegend an diese Tradition anzuknüpfen. Die Allman Brothers haben als Jam-Band viele Blues-Klassiker interpretiert. Warum sollten wir so etwas tun? Als Songwriter sind wir stolz auf unsere eigenen Songs, die auch ganz anderes Terrain berühren. Wenn Berry zum Beispiel ›The Doctor’s Daughter‹ singt, erinnert mich das ein wenig an Tom Petty. Für Blues-Klassiker ist bei uns kein Platz. Sicher werden wir viel jammen, aber auch unsere Jams werden nicht so ausgedehnt sein wie bei den Allman Brothers.«