Buddy Guy

The Blues Don't Lie

Silvertone
VÖ: 2022

Erfreulich klassisch

Buddy Guy ist der letzte der großen Blues-Veteranen und eine lebende Legende. Seine Rolle als Katalysator des elektrifizierten Chicago-Blues und sein Einfluss auf die virtuos gespielte Rock-Gitarre sind immens — daraus gemacht hat er sich noch nie etwas. 13 Alben hat Buddy Guy seit seinem Comeback mit Damn Right, I’ve Got the Blues (1991) veröffentlicht und es sich seither mit Feels Like Rain (1993) nur ein einziges Mal etwas zu gemütlich gemacht. Zugegeben: Wagemutige Experimente wie Sweet Tea (2001), das gerade deshalb zu einem solch fantastischen Album wurde, weil der 1936 in Louisiana geborene Musiker darauf die Geister von Muddy Waters, Cream, Led Zeppelin und ZZ Tops Rhythmeen zusammenführte, gab es auf dieser Wegstrecke wenige.

Traditionellen Guy-Blues umso mehr, der mit wechselndem Temperament die Grenzen zum Bluesrock stets fließend hielt und dabei immer egoistischer wurde. Während die Szenepolizei dem puristischen Chicago-Sound des Gitarristen hinterherjammerte, genoss es Buddy Guy immer mehr, Musikprominenz unterschiedlichster Couleur für Gastbeiträge und Duette ins Studio zu lotsen — im hohen Alter scheint dies sein eigentlicher Ansporn zu sein, überhaupt noch neue Platten einzuspielen.

Auch auf The Blues Don’t Lie sind in sechs der 16 Nummern nicht nur Buddy Guy mit seiner Band zu hören. Und obwohl keins davon wirklich Ausschuss ist, tragen sie nicht unerheblich dazu bei, dem Album seine Form zu nehmen und es zu dehnen: Ein Charakterzug, den alle seit Skin Deep (2008) erschienenen Alben des 86-jährigen Meisters teilen und der auch The Blues Don’t Lie hier und da etwas ausbremst. Nachhaltig Eindruck machen lediglich das edle ›We Go Back‹ mit Mavis Staples und der augenzwinkernde Dialog mit Bobby Rush in ›What’s Wrong With That‹.

Mit viel Rhythm’n’Blues-Pepp startet die Platte mit ›I Let My Guitar Do The Talking‹, in dem Guy zwischen Orgelschüben und Bläsern viele harsche (Wah-Wah-)Gitarrensalven abfeuert. Im milden Titelstück dagegen kommen soulige Chöre hinzu, bevor ›The World Needs Love‹ zum ersten Mal den toll eingefangenen Raumklang des Schlagzeug spielenden Produzenten Tom Hambridge zur Wirkung bringt.

Noch ein Stück mehr dann in ›Last Call‹ und ›Rabitt Blood‹, die beide mit gerupftem Kontrabass bezirzen, in letzterem spielen Klavier und Hammondorgel gleichzeitig. Und dann wäre da noch die kecke Beatles-Adaption ›I’ve Got A Feeling‹, die ihren eigenen kleinen Beitrag zum unterhaltsamen Gelingen dieser Platte leistet, die das starke Spätwerk von Buddy Guy um ein in weiten Teilen erfreulich klassisches Chicago-Gitarrenblues-Album erweitert. Trotz zu vieler Spielkameraden.

(8.5/10)
TEXT: DANIEL BÖHM

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