Ihr Imagewechsel ist noch ziemlich frisch. Samantha Fish stylt sich seit dem Erscheinen von Chills & Fever im Frühjahr 2017 betont retro — enge Hose mit Leopardenmuster und Marilyn Monroe-Frisur inklusive. Das passte zu einer Platte voller Coverversionen klassischer R&B- und Rock'n'Roll-Nummern. Die Bluessängerin aus Kansas City will damals vorbehaltlos etwas Neues ausprobieren. Dabei weiß sie bereits, dass ihr nächstes Album wieder ein ganz anderes werden wird. Auch wenn das auffällige Styling geblieben ist: Im überwiegend akustischen Kontext des aktuellen Langspielers Belle Of The West wirkt Fish wieder bodenständiger.
Der Weg dahin sei schon vor zwei Jahren während der Arbeit an ihrer Platte Wild Heart geebnet worden, erklärt die mittlerweile in New Orleans sesshafte Musikerin — sichtlich stolz auf den gelungenen Doppelschlag der letzten zwölf Monate. »Bei den Sessions zu Wild Heart haben wir für den Track ›Jim Lee Blues‹ eigens ein Akustik-Line-up zusammengestellt«, blickt sie zurück.
»Ich war von dieser Aufnahme mit Luther Dickinson, Lightnin' Malcolm, Sharde Thomas und mir so begeistert, dass ich mir vorgenommen habe, mit ihnen ein komplettes Album in diesem Stil aufzunehmen. Etwa anderthalb Jahre später haben wir genau das getan«, erläutert sie Belle Of The West, das ebenfalls im Studio von Luther Dickinson im Norden von Mississippi entstanden ist.
Für dieses Soloalbum — bereits ihr fünftes seit 2011 — macht sich Fish den Talentreichtum der Gegend sowie aus den nahegelegenen Musikmetropolen Nashville und Memphis zunutze. So entsteht mit Hilfe zahlreicher Sessionmusiker und -musikerinnen ein Sound, der irgendwo zwischen Blues, Bluegrass, Country und Folk anzusiedeln ist. Dabei fällt dem ehemaligen Black Crowes-Gitarristen und langjährigen North Mississippi Allstars-Frontmann Dickinson als Produzent die Schlüsselrolle zu.
»Er weiß immer genau, was ein Song braucht«, lobt Fish. »Als ich ankam, hatte ich nur die Akustikgitarre und meinen Gesang im Kopf. Sonst nichts. Erst durch die Arbeit mit Luther sind meine Songs voll aufgeblüht. Nicht zuletzt, weil er selbst auch zur Gitarre gegriffen hat!« Neben der urigen Instrumentierung der Platte mit Mandolinen- und Geigenklängen gibt es einen weiteren wesentlichen Unterschied zum Rock'n'Roll-lastigen Vorgänger Chills & Fever: »Die Titel auf Belle Of The West sind fast alle von mir selbst und bedeuten mir deshalb persönlich sehr viel«, sagt sie über ihre textlich verzwickten Songs, in die sich viel hinein interpretieren lässt: »Ehrlich gesagt ist mir das recht. Nicht jedes Detail aus meinem Privatleben muss an die Öffentlichkeit. Doch ich bemühe mich, meine Geschichten so zu erzählen, dass sich jeder darin wiederfinden kann.«
Dieser Text stammt aus ROCKS Nr. 62 (01/2018).