Electric Light Orchestra

Hits im Minutentakt

Der erste Versuch, das Electric Light Orchestra neu zu beleben, gerät Anfang des Jahrtausends zum Kaltstart. Der Album-Flop Zoom und eine vorzeitig abgesagte Tournee sind ein herber Dämpfer für das Ego von Erfolgsproduzent Jeff Lynne, der mit einer Legierung aus antiken Rock-Riffs, großen, harmonieseligen Melodien in Beatles-Manier und opulentem Orchester-Zuckerguss die Formel für den universellen Perfektions-Pop gefunden zu haben schien.

TEXT: MARKUS BARO

Erst 2014 platzt der Knoten: Im Zuge der Retro-Welle erinnert man sich auch wieder an das Electric Light Orchestra — Lynne füllt plötzlich große Hallen bis auf den letzten Platz. So auch die SAP-Arena, in der das zumeist elegant gekleidete Publikum an diesem Abend in ziemlich exakt neunzig Minuten den Soundtrack seiner Jugend serviert bekommt — originalgetreu bis ins letzte Detail.

Schon der Einstieg hätte bombastischer kaum ausfallen können: Donnergetöse und virtuelle Regentropfen begleiten das eröffnende ›Standin’ In The Rain‹, während die 13-köpfige Band gemächlich die Bühne betritt. Vier Gitarristen, drei Keyboarder, zwei Cellistinnen und eine Geigerin sowie die beiden Originalmitglieder Lynne und Richard Tandy erzeugen sofort eine wuchtige Soundwand, die den größten Teil der zehntausend Besucher schon beim zweiten Stück ›Evil Woman‹ von den Stühlen reißt. Lynne weiß genau, was er seinen Anhängern schuldig ist. Schlageraffine Achtziger-Hits wie ›Xanadu‹ oder ›Calling America‹ bleiben außen vor, ausschließlich Gassenhauer aus der „progressiveren“ Phase der Truppe wie ›Telephone Line‹, ›Livin’ Thing‹ oder ›Sweet Talkin’ Woman‹ werden zu Gehör gebracht.

Ausnahmen: die neuere Ballade ›When I Was A Boy‹ und das Traveling Wilburys-Cover ›Handle With Care‹. Aber die fügen sich vorzüglich in das knallbunte und präzise durchgetaktete Spektakel, das schließlich mit den Mini-Opern ›Rockaria‹ und ›Mr. Blue Sky‹ und massivem Laser-Einsatz zum Höhepunkt gelangt. Raum für spontane Interaktionen bleibt da natürlich nicht, selbst die einzige Zugabe, das von den ersten Takten aus Beethovens 5. Sinfonie eingeleitete ›Roll Over Beethoven‹, wirkt trotz der vermeintlich ausgelassenen Gitarren-Zwiesprache zwischen Lynne und Gitarrist Mike Stevens choreografiert bis in die letzte Note. Lynnes Intention war es immer, den Sound in seinem Kopf ohne Abstriche auf die Bühne zu bringen. Das ist ihm an diesem Abend tadellos gelungen.

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