Jamie Crawford

Absolutes Fiasko: Woodstock '99

Netflix
VÖ: 2022

Profitgier und Desaster statt Liebe und Frieden

Der Name Woodstock steht für vieles: Höhepunkt der Hippie-Kultur, Liebe, Frieden und Harmonie sowie epochale Konzerte. Für gute Organisation waren die Festivals unter dem klangvollen Namen, die 1969 ihre legendäre Premiere erlebten, indes nie bekannt. Ihren diesbezüglichen Tiefpunkt erreichte die bis dato letzte Ausgabe im Jahr 1999.

Eine dreiteilige Netflix-Doku-Serie arbeitet unter dem passenden Titel Absolutes Fiasko: Woodstock ’99 das dreitägige Event auf. Darin spüren die Macher um Regisseur Jamie Crawford gekonnt und packend anhand von Zeitzeugen — darunter der mittlerweile verstorbene Mitorganisator Michael Lang, Korn-Sänger Jonathan Davis, Mitarbeitende des ausstrahlenden Fernsehsenders MTV sowie freiwillige Helfer und Fans — den Ursachen nach, die schlussendlich in gewalttätigen Ausschreitungen, Vergewaltigungen und tausenden Verletzten mündeten.

Vor allem zwei Dinge erschrecken dabei: Welche Anfängerfehler die durchaus erfahrenen Promoter machten — und wie sie über zwanzig Jahre später immer noch ihre Mitschuld an den Geschehnissen zu relativieren versuchen. Die unzureichende, zu allem Überfluss kontaminierte Wasserversorgung, unterbesetzte Rettungskräfte und allgemeine Profitgier sind dem Team um Lang und John Scher ebenso anzulasten wie die Wahl des Austragungsortes: Ein stillgelegtes, weitestgehend asphaltiertes Armeeflugfeld ohne Schattenplätze ist für ein hochsommerliches Festival — zumal im Geiste seines antimilitaristischen Vorbildes — nur bedingt geeignet.

Die Verantwortlichen hingegen sehen den Grund für die Eskalation im Alkoholkonsum und Hedonismus der Anwesenden sowie im aggressiven Gebaren einiger Bands. Insbesondere Limp Bizkit und deren Frontmann Fred Durst machen sie in gewisser Weise als implizite Rädelsführer aus. Auch wenn diese Gründe sicher ihren Teil zum Desaster beigetragen haben: Nach dieser Definition müsste jeden August halb Schleswig-Holstein brennen.

 

Keine Wertung

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