Ähnlich wie bei seinem noch erfolgreicheren Kollegen Keb’Mo reicht die Musik von Eric Bibb weit über das hinaus, was man gemeinhin unter dem Etikett des Akustik-Blues erwarten würde. Seine Interpretation dieser Musik ist tief im Folk und in der Storyteller-Kunst der großen Singer-Songwriter Amerikas verwurzelt — längst ist der 1951 in New York geborene Mann mit dem zum Markenzeichen gewordenen Hut selbst einer von ihnen.
Ein guter Song besitze die Kraft, aus einem Faustschlag einen Handschlag zu machen, betont er immer wieder. Und das steht in keinerlei Widerspruch zu seiner auf den letzten Platten forcierten Auseinandersetzung mit dem schwarzen Amerika, historisch wie zeitgenössisch. Dear America ist sein offener Brief an seine Heimat. Er ist aber genauso adressiert an die gesamte Welt: Der Weg heraus aus dem vergifteten Klima beginne eben mit der Auseinandersetzung mit unserer Geschichte und den Dingen, die wir uns als Menschen gegenseitig antun, ist der heute in Schweden lebende Musiker sich sicher.
Im wunderbaren ›Whole LoPa Lovin‹ (hier ist Jazz-Legende Ron Carter als Gast zu hören) singt und erzählt er mit seiner angenehmen, ruhigen und fast zärtlichen Stimme zunächst über das Einende und Verbindende — nur um in der Geschichte ›Born Of A Woman‹ (Duett-Partnerin ist Shaneeka Simon) die Misshandlung von Frauen zu thematisieren: Ein eindringlicher Roots-Song mit toller Gitarrenarbeit. Die liefert später auch Eric Gales, der ›Whole Worlds Go The Blues‹ um ein Haar zu einer Buddy Guy-Nummer werden lässt.
Bibb beginnt das Titellied mit einem Zitat von Martin Luther King: »Die Geschichtsschreibung wird festhalten müssen, dass die größte Tragödie dieser Zeit des sozialen Wandels nicht das laute Geschrei der bösen Menschen war, sondern das entsetzliche Schweigen der Guten.« Der Song selbst ist ein archaisch-stampfender Blues nach Art von John Lee Hooker mit durchdringendem Bass. Groß ist auch ›Different Picture‹, in das Pedal-Steel-Meister Chuck Campbell ausfüllt — Geschichte wiederholt sich immer wieder.
›Tell Yourself‹ ist ein aufbauender Storryteller-Song, den Bibb auf der Akustikgitarre zu seinem typischen Folk-Fingerpicking singt und eine hübsche Slide-Gitarre den Hintergrund malend solieren lässt. ›Emmetts Ghost‹ (abermals mit Carter am Kontrabass) ist ein weiteres Stück der gemütlichen Bibb-Schule, das in aller Ruhe den farbigen Teenager Emmett Till besingt, der 1955 von einem weißen Lebensmittelhändler aus rassistischen Motiven ermordet wurde: sein Schicksal ist unmittelbar mit dem Formierung der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung verbunden. Bewegend und belebend.