Birth

Wiedergeburt der Siebziger

Zwei Alben lang setzten Astra starke Duftmarken im Bereich des progressiv-psychedelischen Vintage-Heavy-Rock. Mit ihrer neuen Band Birth entwickeln die Amerikaner die Musik der stillgelegten Vorgängerformation weiter.

TEXT: THOMAS ZIMMER |FOTO: Label/PR

Die Alben The Weirding (2009) und The Black Chord (2012) bilden das musikalische Vermächtnis der 2001 gegründeten Formation Astra, die seit dem Erscheinen ihrer zweiten Scheibe auf Eis liegt. In Birth haben die beiden Gitarristen und Keyboarder Conor Riley und Brian Ellis nun eine neue Band ins Leben gerufen, mit der sie den mit Astra gepflegten Sound verdichten und weiterentwickeln.

»Einige der Ideen, die wir verwendet haben, existieren bereits seit fünf Jahren. Allerdings war ich immer viel unterwegs, und Brian hatte seine eigenen Projekte. Erst die Pandemie hat uns ermöglicht, mal runterzuschalten und uns wirklich auf die Musik zu konzentrieren.« Das Cover ihres Albumerstlings Born zeigt nackte Menschen unterschiedlichen Lebensalters.

Die Landschaft, in der sie sich bewegen, mag man als Idylle interpretieren, sie hat aber auch etwas Bedrohliches. Es ist eines jener Titelmotive, die einen klaren Verweis auf die Musik liefern, bevor man den ersten Ton gehört hat. »Das hat schon was von Siebziger-Jahre-Nostalgie, die wir mit dem Artwork und der Musik einfangen wollten«, bestätigt Riley. Cover-Designer David D’Andrea hatte zuvor auch für Astra gearbeitet. »Wir haben ihm nur ein paar Ideen vorgegeben: Es ging um Geburt, Lebenslinien, Verfall, Wiedergeburt. Es sollte nicht zu Fantasy-mäßig aussehen, eher etwas dystopisch.«



Als musikalische Vorlage hatte D’Andrea die Demos der Songs ›Descending Us‹ und ›Cosmic Tears‹ gehört. Das majestätische, orgelschwangere ›Descending Us‹ hat in seinen dramatischsten Momenten unüberhörbare Anklänge an Deep Purples ›Child In Time‹, wobei Conor Rileys Gesang distanziert und verhallt aus einer anderen Welt zu kommen scheint. ›Cosmic Tears‹ lebt von einem hypnotischen Bass-Motiv. Riley beschreibt es als »eher eine Stimmung denn ein Song« und trifft damit den Charakter eines Gutteils des Albums.

Die Affinität des Songschreibers zu Dystopien findet sich in der Musik wieder. »Es ist vor allem die Kunst, die ich liebe. Kunst, die düstere Zukunftsvisionen darstellt und die Themen Dunkelheit und Wiedergeburt, die in vielen dystopische Romanen abgehandelt werden. Jedes Mal, wenn ich die Nachrichten einschalte oder mich über den Zustand der Welt unterhalte, beschleicht mich dieses Gefühl, das ich schon mein ganzes Leben lang habe.«



Die Struktur der Musik von Birth könnte auch gedeutet werden als Ausdruck der inneren Zerrissenheit, der Verunsicherung ihrer Urheber. Feste Song-Gerüste lösen sich immer wieder auf in Jams. »Ich kann Leute verstehen, die denken: Oh Gott, die jammen ja nur. Gut, das macht einen großen Teil der Musik aus, die ich mag: ein Album von Ash Ra Tempel ist eine einzige Jam-Session. Wir wollten ein Album machen, das Einflüsse aus allen Richtungen aufgreift, es sollte keine Regeln geben. Es ist aber nicht so, dass wir einfach zusammenkommen und improvisieren. Es ist eher umgekehrt: Es gibt eine Idee für einen Song, eine Strophe oder einen Refrain, und erst dann schauen wir, ob wir da irgendwo zwischendrin einen Jam einbauen können.«

So hört man in ›For Yesterday‹ wohlarrangierte Melodien, bei denen Gitarre, Orgel und Flöte harmonisch zusammenwirken; der Titelsong ist ein sorgfältig arrangiertes Instrumental mit einem Orgelsound, der an The Nice erinnert. Findige Musikarchäologen werden in der Musik weitere Vorbilder entdecken: King Crimson, ELP, Van der Graaf Generator, Pink Floyd und andere Vertreter der eher schrägen Seite des frühen Progressive Rock, vor allem aus Europa.

»Ja, da sind eine Menge europäischer Einflüsse drin und auch ein bisschen Krautrock, aber wichtiger noch: italienische Bands wie PFM oder Osama«, bestätigt Riley. »Wenn man uns als Retro-Band einsortiert, stört mich das nicht. Ich höre sogar in moderner Popmusik eine ganze Menge Siebziger-Jahre-Einflüsse. Das ist eine Ära, auf die immer wieder zurückgegriffen wird. Da ist eben auch viel wirklich Zeitloses dabei.«


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Cover von ROCKS Nr. 104 (01/2025).