Badfinger

Head First (50th Anniversary Edition)

Y&T Music
VÖ: 2024

Mit besten Voraussetzungen in den Regen

Badfinger verfügten über allerbeste Voraussetzungen für eine große Karriere. Sie hatten Ausstrahlung, brillante Songs und enge Verbindungen zu den Beatles, die sie für ihre eigene Plattenfirma Apple Records unter Vertrag nahmen. Den Kurs ihrer Laufbahn glücklich zu lenken vermochte nichts davon — und ihre tragische Geschichte endete damit, dass sich Sänger und Gitarrist Pete Ham und später auch Bassist und Songwriter Tom Evans das Leben nahmen.
Aufregend wurden ihre Alben ab dem zweiten, denn mit No Dice (1970) setzten sie die Gitarren deutlich energischer und selbstbewusster ein und bauten eine stabile Brücke zwischen den frühen Beatles, den Small Faces und dem härteren Rock ihrer Zeit. ›No Matter What‹ werden später Great White (Recover), Lillian Axe (Poetic Justice) und Def Leppard (Yeah!) in schwächeren Versionen aufnehmen; den größten Hit mit einer Badfinger-Nummer landet schließlich Mariah Carey, die ›Without You‹ 1994 mit ihrem Geplärre tötete.

Kompliziert gestalteten sich die Aufnahmen ihres dritten Albums, die zunächst George Harrison in der Produktion betreute (zuvor hatten Badfinger als Session-Musiker auf dessen Magnum Opus All Things Must Pass gespielt), bevor Todd Rundgren sie zu einem angestrengten Ende brachte. Musikalisch hätten es Badfinger kaum besser treffen können mit Straight Up (›Take It All‹), das stark gitarrenlastig die Beatles-Stationen Help!, Rubber Soul, Revolver und Let It Be in den Rock-Kontext der Siebziger übersetzte und mit Stephen Stills und den frühen Humble Pie nachwürzte.

In Ass und Badfinger folgten zwei schwächere Platten nebst finanziellen Krisen, ehe der Gruppe mit Wish You Where Here im November 1974 ein überaus inspiriertes Rock- und Power-Pop-Album gelang, das die beiden Vorgänger weit in den Schatten stellte, sich klar wie überzeugend zu den Siebzigern bekannte und in ›You’re So Fine‹, ›Got To Get Out Of Here‹ und ›Dennis‹ echte Liedperlen enthielt. Heraus stach das mit dramatischem Orchester untermalte ›In The Meantime‹/›Some Other Time‹, das zunächst ein wenig an Ian Hunter erinnert und auch auf dem ein Jahr später erschienenen Wings-Album Venus And Mars zu den Höhepunkten gehört hätte. Und genau so, wenn nicht sogar ein gutes Stück besser, ging es schließlich weiter.

Bob Jackson aus der Band von John Entwistle, der ihnen bereits auf Tour ausgeholfen hatte, war mittlerweile festes Badfinger-Mitglied geworden, die mit den einstigen Kiss-Produzenten Kenny Kerner und Richie Wise (Kiss, Hotter Than Hell) ein Album entstehen ließen, das einer deutlich ruppigeren Rock- und Power-Pop-Ausrichtung folgte und die vielsagenden Beiträge ›Hey, Mr. Manager‹ und das bissige ›Rock’n’Roll Contract‹ enthält. Wie gut Head First tatsächlich war und ist, wurde allerdings erst drei Dekaden später bekannt, denn im Zuge eines Rechtsstreits um entwendete Treuhandzahlungen lehnte ihre Plattenfirma die Veröffentlichung im Entstehungsjahr 1974 ab und ließ die Band handlungs- und zahlungsunfähig im Regen stehen.

Der hier zu hörende neue Mix ist toll gelungen und wertet diese Edition erheblich auf, den angefügten Bonustrack ›Savile Row‹ braucht kein Mensch. Auch auf Schallplatte ist Head First zu haben: zum allerersten Mal überhaupt.

Album: 8,5

(8/10)
TEXT: DANIEL BÖHM

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