Nur wenige Bands haben den Heavy Metal leidenschaftlicher mit künstlerischer Substanz ausgekleidet als diese einzigartige Truppe aus Tampa, Florida. Und das vor allem nach ihrer so folgeschweren Begegnung mit dem Produzenten und baldigen Kreativpartner Paul O’Neill, unter dessen Leitung 1987 zunächst das enorme Album Hall Of The Mountain King entstand, das als Scharnierwerk die frühen US-Metal-Savatage mit dem Bombast von Queen und der Kunst des modernen Broadway-Musicals verband, welche die Musik der Gruppe immer stärker durchdringen und befruchten sollten. In Streets — A Rock Opera ließen sie zum dritten Mal in Folge eine Platte entstehen, bei der man gar nicht anders kann, als sie als eines der gehaltvollsten und schlicht besten melodischen Heavy Metal-Alben aller Zeiten zu verehren. Nach dieser in sich geschlossenen Rock-Oper mit musikalischem Storytelling, das die Geschichte vom Aufstieg des Dealers DT Jesus zum Rockstar, seinen Absturz in Drogensucht und Gosse vertonte, musste Jon Oliva erkennen, dass seine Stimme nicht mehr mitmachte. Für ihn rückte Zak Stevens nach, der mit seiner angenehm-charismatischen und virtuos geschulten Stimme entscheidend dabei half, O’Neills durchaus in der Tradition von Andrew Lloyd Webber stehende Kompositionskunst in erhabenen, hochambitionierten Hardrock- und Heavy Metal übersetzen. Edge Of Thorns enthält die letzten Aufnahmen des meisterlichen Gitarristen Criss Oliva, der bei einem fremdverschuldeten Autounfall am 17. Oktober 1993 getötet wurde. Er ist es, der in melodischen und eher ursprünglichen Sava-Schönheiten wie ›Damien‹, ›Lights Out‹ und ›He Carves His Stone‹ mit schneidenden Riffs und schmucken Soli die Akzente setzt, während Neuling Stevens das Titellied und die balladesken Stücke dominiert. Nicht von dieser Welt sind ›Follow Me‹ und vor allem ›All That I Bleed‹ — letztere Nummer ist mit einer dramatisch inszenierten Melodiepracht gesegnet, die am ehesten Webbers Phantom der Oper erinnert.
Dem folgenden Handful Of Rain hängt ein seltsam kontroverser Ruf nach. Tatsächlich standen Savatage vor der schwierigen und traurigen Aufgabe, sich 1994 ein Stück weit neu erfinden zu müssen: Auf dem ersten Album nach dem Tod von Criss Oliva hat Bruder Jon die meisten Instrumente selbst gespielt; lediglich die Gitarrensoli stammen von Neuzugang Alex Skolnick (Testament). Das mag zu Lasten der Riffschärfe gehen und in dieser Hinsicht mit allem brechen, was einmal war bei Savatage. Die gehaltvollen Songs aber suchen ihresgleichen — allen voran ›Chance‹ mit seinen komplexen Vokal-Arrangements (fortan ein Markenzeichen) und ›Alone You Breathe‹, das wie eine reifere Fortsetzung von ›All That I Bleed‹ wirkt, in dem als Tribut an Criss Oliva Zitate aus ›Believe‹ anklingen. Verwirrend bleibt lediglich ›Taunted Cobras‹: einen stärker verkorksten Einstiegssong hat sich eine Band egal welchen Genres wohl selten erlaubt.
Handful Of Rain ist nun zum allerersten Mal überhaupt auf Vinyl zu haben. Es steckt jede Menge Liebe in der Umsetzung dieser Veröffentlichung, die dem (band)historischen und musikalischen Gewicht des Albums Rechnung trägt. So wurde eigens eine richtige Plattenhülle konzipiert, auf deren Rückseite ein großformatiges Bandfoto eingearbeitet ist, das man so oft noch nicht gesehen hat. Auch das großformatige und informative Begleitheftchen ist edel gestaltet und mit jeder Menge Fotos versehen. Die Sorgfalt schlägt sich auch im Hörvergnügen nieder, wobei der Klangcharakter aus der Natur der Sache heraus um Nuancen anders ist als beim CD-Original, an das man sich jahrzehntelang gewöhnt hat. Angeboten wird Handful Of Rain unter anderem auf blauem Kunststoff als Einfach-LP, der eine mit dem Artwork bedruckte Filzauflage für den Plattenspieler beiliegt.
Gut fürs Herz ist auch Edge Of Thorns, das in jeder Hinsicht den 2014 recht kläglich gescheiterten Versuch desselben Labels aussticht, den Sava-Einstand von Zak Stevens zum ersten Mal auf Platte zu bringen. Auch hier wurde für die Rückseite der Hülle ein neues Farbfotomotiv gesucht und gefunden. Die Doppel-LP enthält ausschließlich die Lieder des Originalalbums (die bizarren Bonus-Tracks von 2014 wurden verbannt), läuft auf 45 Umdrehungen und klingt ausgezeichnet. Die limitierte Ausgabe kommt auf hübschen gelben Vinyl und enthält neben einem Booklet einen Kunstdruck. Die ohne Bonus-Tracks