Love/Hate

Blackout In The Red Room (1990)

Ein gutes Jahrzehnt lang waren Love/Hate eine der unangepasstesten Bands Amerikas, ehe sie Mitte der Neunziger schließlich doch von ihrem Weg abkamen. Ihre ersten beiden Alben kann ihnen niemand mehr nehmen.

TEXT: DANIEL BÖHM

Als Kalifornien am 1. Juni 1992 erwacht und das Frühstücksfernsehen einschaltet, staunt es nicht schlecht: Ein offenbar Geisteskranker hatte sich in Jesus-Pose an das Y des  berühmten Hollywood-Schriftzugs in den Hügeln der Filmmetropole ketten lassen und Medien wie Polizei in helle Aufregung versetzt.

Es dauert eine ganze Weile, bis sich herausstellt, dass es sich bei dieser legendären Nummer um einen PR-Gag von Jizzy Pearl handelt, der auf Wasted In America aufmerksam machen sollte, das zweite Album seiner Band Love/Hate. Karrierefördernd war der Kreuzigungsaufwand nicht — tatsächlich brachte der Sänger seine Plattenfirma damit so sehr gegen sich auf, dass sie ihn kurzerhand rauswarf.



Dabei hätte die Musik von Love/Hate alles gehabt, um genug Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Schon früh hatte die 1984 als Data Clan gegründete Truppe zu einem unkonventionellen Sound gefunden, der rohen und extrem energetischen Street-Rock genauso in sich trug wie latente Anleihen an The Cult (Love), Aerosmith und vor allem an die abgedrehten Alternative-Pioniere Jane's Addiction.

Das an beißender Gesellschaftskritik nicht sparende Wasted In America (1992) geriet noch um einiges subtiler als der Erstling Blackout In The Red Room, dessen Musik den Vorhang zu einer Freakshow hochzieht, bei der ein Sänger über die Bühne tobt, der wie eine Mischung aus Teslas Jeff Keith, Axl Rose und Dave Mustaine raspelt und den Weg freiboxt für unerschrockene Funk-Grooves.

Das Titellied, ›She's An Angel‹ (in einer Frühfassung bereits 1988 im Film Nightmare On Elm Street 4 untergebracht) und ›Mary Jane‹ sind Perlen unter vielen.


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