Fifth Note

Aus dem Bauch heraus

Angstfrei und hochkompetent vermischen Fifth Note auf ihrem Albumerstling Here We Are Progressive Metal, Hardrock und melodischen AOR — und stärken auf der Weltkarte der harten Rockmusik den äußersten Nordosten Indiens.

TEXT: MAXIMILIAN BLOM |FOTO: Veshehu Chuzho

Nordostindien ist beinahe eine Enklave: An ihrem schmalsten Punkt ist die Verbindung zum Hauptland nur knappe zwanzig Kilometer breit, umschlossen wird die aus mehreren Verbundstaaten bestehende Region von Bangladesch, Myanmar, Tibet, Bhutan und ganz im Norden von China.

Die aus Sikkim und der Hauptstadt Gangtok stammenden Girish And The Chronicles sind mit ihrem ganz dem sleazigen US-Hardrock der Achtziger zugewandten Sound die wohl populärsten Bandbotschafter dieser Gegend; in der Welt des Melodic Rock zumindest einen zarten internationalen Ruf aufbauen konnten sich zudem About Us.

Wie sie stammen auch Fifth Note aus dem weiter östlich gelegenen Bundesstaat Nagaland, die sich auf ihrem ersten Album als bestens ausgebildete Musiker präsentieren. Herausstechend ist darauf der aparte Gesang von Samuel Thapa, der die hohen Stimmlagen des 2000 verstorbenen Angra-Sängers André Mathos mit einer gewissen Axl Rose-Färbung zu versehen versteht. Hörenswert ist das charakterstarke Here We Are vor allem aber deshalb, weil darauf AOR, Hardrock und Progressive Metal zusammenfinden. Und das vollkommen unverkopft.



»Wir haben seit jeher eine Schwäche für progressive Bands wie Dream Theater oder Circus Maximus«, meint Keyboarder Sheduto Kezo. »Das melodische Prog-Metal-Element kommt besonders stark in ›Falling Apart‹ und ›End Times‹ zum Tragen, trotzdem verstehen wir uns eher als experimentelle Rockband. Momentan könnten wir uns gut vorstellen, auf dem nächsten Album auch mit symphonischen Elementen zu arbeiten. Wir lieben es einfach, Musik auszuprobieren und schreiben aus dem Bauch heraus. So lange es sich „richtig“ anfühlt, ist alles gut.«

Mit diesem Anspruch begegnen die 2019 zunächst als Coverband gestarteten Fifth Note schlussendlich auch ihren Zuhörern, erklärt Kezo. »Es gibt so viel Elend auf der Welt und die Menschen sind täglich mit allerhand Chaos, Problemen und Sorgen konfrontiert — selbstverständlich auch in unserer Heimat. Unser oberstes Ziel ist es, gerade diese Menschen mit unserer melodischen Musik zu erreichen und sie etwas Positives mitnehmen zu lassen.«



Ihr Plattenvertrag trage mehr dazu bei als Livespielen, erklärt der versierte Musiker. Denn in ihrer vergleichsweise dünn besiedelten Heimatregion sei dieser klassische Mechanismus schwerer umzusetzen. Dennoch wollen Fifth Note im neuen Jahr zumindest eine kleine Tournee durch Nordostindien angehen.

»Problematisch ist, dass es hier keine nennenswerte Clubszene gibt. Hauptsächlich spielen wir während der Festsaison vom Spätherbst bis in den Frühsommer. In unserer Heimatstadt Kohima gibt es zum Beispiel jedes Jahr Anfang Dezember das Hornbill Festival, eine Art Landesfest der verschiedenen ethnischen Gruppen in Nagaland. Außerhalb dieser Zeit gibt es kaum Möglichkeiten für Auftritte, es sei denn man schafft es, selbst etwas zu organisieren.«



Dieser Text stammt aus ROCKS Nr. 99 (02/2024).

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