Joe Bonamassa

Blues Of Desperation

Mascot
VÖ: 2016

Der nächste Entwicklungsschritt

Das Bild, das der Titel Blues Of Desperation evoziert, führt ganz schön in die Irre. Ausgelaugt, angespannt und auch verzweifelt mag Joe Bonamassa in den vergangenen Monaten zwar gewesen sein. Im archaischen und ursprünglichen Blues angekommen ist der populärste zeitgenössische Bluesrock-Gitarrenvirtuose mit seinem zwölften Album deshalb aber noch lange nicht.

Auf Blues Of Desperation wiederholt sich ein Stück seiner Geschichte. Nicht nur, weil Bonamassa erneut mit Produzent Kevin Shirley aufgenommen hat und auch nicht nur deshalb, weil der Gitarrist wie zuvor bei A Different Shades Of Blues (2014) eine ausschließlich mit eigenen Liedern bestückte Platte im Sinn hatte, für die er im Groben mit denselben Partnern komponiert hat. Der New Yorker ist immer dann für besonders große Entwicklungsschritte gut gewesen, wenn er sich bei seinen Konzerten mit neuen Begleitmusikern umgeben hat. Das hat auch auf Blues Of Desperation frischen Wind gebracht, einem vergleichsweise harten und songorientierten Bonamassa-Album, auf dem mit Anton Fig und Greg Morrow gleich zwei Schlagzeuger im Tandem zu hören sind.

Davon zehrt speziell das lebendig vor sich hin klappernde ›This Train‹ gleich zu Beginn, ehe es mit dem harten (man achte auch auf den Bass) ›Mountain Climbing‹ weitergeht, einer ganz exquisiten Heavy-Rock-Nummer mit verwobenen Chören und einer Soundvielfalt, die ihren Ursprung bei Led Zeppelin — geschrieben hat sie der 38-Jährige gemeinsam mit Tom Hambridge (Buddy Guy). In eine ähnliche Kerbe schlägt der stimmungsvolle, psychedelisch eingefärbte Titelsong mitsamt schwirrendem Theremin.

Für Kontraste sorgen der entspannte Americana-Hit ›The Valley Runs Slow‹ und ›You Left Me Nothin’ But The Bill And The Blues‹ als ein flotter und durch Ton der Gitarre ziemlich angriffslustiger Shuffle mit Anlehnungen an Freddie King und Gary Moore, bevor Blues Of Desperation einen bedächtigen Ausklang findet mit ›What I’ve Known For A Long Time‹: Der langsame Bläser-Blues atmet B.B. King und Ray Charles durch und durch. Das wohl stärkste und konsistenteste aller Bonamassa-Werke bislang — mit durchweg guten Songs, feurigem Gitarrenspiel und einer von ihm noch nicht gehörten Ton- und Soundbreite.

 

(9/10)
TEXT: DANIEL BÖHM

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