Vitalines

Songs wie ein gutes Buch

Als Komponist ist Tommy Denander für die Stars der Rock- und Pop-Branche tätig. Ebenso viel Zeit und Herzblut investiert der Schwede in seine anspruchsvollen AOR-Allianzen: Vitalines sind eine Kooperation mit Goldkehle Robbie LaBlanc.

TEXT: MARKUS BARO |FOTO: PR/Frontiers Music

Über einhundert Gold- und Platin-Scheiben an den Wänden seines Heimstudios machen deutlich: Tommy Denander ist eine Größe im Musikgeschäft, vor allem im gehobenen AOR. Seinen Job hat er von der Pike auf gelernt, unter anderem bei Produzenten-Legende Mutt Lange. »Ich arbeite heute nicht viel anders als zu Beginn meiner Laufbahn«, lacht der 1968 in Stockholm geborene Musiker. »Nur ist das heutige Budget um ein Vielfaches knapper. Aber wenn dein Herz für melodischen Rock schlägt, bist du entweder mit voller Leidenschaft dabei oder überhaupt nicht.«

Seine eigenen Projekte wie Radioactive bleiben eher Genre-Liebhabern vorbehalten, 2017 aber steuerte er einige Lieder zum Alice Cooper-Album Paranormal bei und nutzte die Gelegenheit, Monster-Macher Bob Ezrin bei der Produktion über die Schulter zu schauen.

»Bob zerlegt jedes Stück bis ins kleinste Einzelteil. Wenn du es auf ein Alice Cooper-Album schaffen willst, reicht es nicht, einen Stapel Songs einzureichen und zu glauben, einer davon würde schon irgendwie die Qualität von ›Poison‹ haben. Ich habe mich durch seine komplette Diskografie gewühlt, bis ich sicher war, den Charakter seines Sounds vollkommen verinnerlicht zu haben. Von den dreißig Songs, die ich eingereicht hatte, wurden fünf verwendet, aber das hat mich schon mächtig stolz gemacht. Und es hat gereicht, um auch an Detroit Stories ein bisschen mitzuarbeiten.«



Auch lukrative Zulieferarbeiten für Künstler wie Anastacia, Richard Marx oder Matchbox 20-Frontmann Rob Thomas bescheren dem Schweden den finanziellen Rückhalt, um Projekte wie Vitalines angehen zu können. Die Zusammenarbeit mit Robbie LaBlanc (Blanc Faces) stand dabei schon lange auf seiner Agenda.

»Ich musste ein wenig tricksen, denn meine Plattenfirma wollte, dass ich die Produktion des nächsten Find Me-Albums übernehme. Ich bin ein großer Fan von Robbies Stimme, aber explizit nicht von dieser Band, in der er eben auch singt. Und so habe ich angeboten, mit Robbie ein gemeinsames Projekt aus der Taufe zu heben.«



Für ihren Erstling Wheels Within Wheels entwarf Denander sämtliche Lieder in Eigenregie, die LaBlanc mit der wohl stärksten Gesangsleistung seiner Karriere veredelt. »Dass Robbie selten besser gesungen hat, bestärkt mich in meiner These, dass man sich in einen Künstler hineindenken muss. Wenn ich mir manche Veröffentlichungen im AOR-Bereich anhöre, beschleicht mich der Verdacht, dass viele Komponisten rein theoretisch betrachtet gute Arbeit abliefern, aber die emotionale Seite völlig außer Acht lassen, die nötig ist, um eine echte Bindung mit dem Hörer zu erreichen.«

Seine Kunst lernte Denander von den Großen des Genres, die merklich auf ihn abfärbten: 1987 siedelte er nach Los Angeles über, wo er auf die Toto-Mitglieder David Paich, Bobby Kimball sowie Jeff und Steve Porcaro traf, mit denen er in Kontakt blieb — und 2001 Ceremony Of Innocence mit ihnen einspielte.



Seither bleibt Denander seinem Sound treu. Und selbst im Grunge fand er musikalisch Gleichgesinnte: »Einer der ersten Menschen, mit denen ich seinerzeit in Los Angeles Kontakt hatte, war Robert Deleo. Er arbeitete in einem Laden für Musikinstrumente, wo wir nach Ladenschluss regemäßig jammten. Als ich damals von einem Besuch bei meiner Familie in Schweden zurückkam, traf ich ihn nicht mehr dort an. Sein Chef erzählte mir, dass er einen Plattenvertrag mit seiner Band Stone Temple Pilots unterschrieben hatte, die gerade als die heißeste Band in L.A. galten.«



Dieser Text stammt aus ►ROCKS Nr. 97 (06/2023).

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