Humble Pie

The A&M Boxset 1970-1975

Universal
VÖ: 2022

Klassiker des Hard- und Boogie-Rock

Berühmt waren sie schon vorher. Erfüllung als Musiker fanden Sänger Steve Marriott (Small Faces) und Gitarrist Peter Frampton (The Herd) allerdings erst nach ihrem Zusammenschluss zu Humble Pie. Ausgehend vom psychedelischen Spätsechziger-Hardrock mit allerlei Mod- und Country-Auslegungen tasteten sich die um Bassist Greg Ridley (Spooky Tooth) und Schlagzeuger Jerry Shirley verstärkten Engländer nach einer Single und zwei LPs für Immediate Records in immer härtere Gefilde vor.

Die sieben folgenden Alben erschienen über das amerikanische Label A&M, die nun gebündelt zu haben sind. Humble Pie geriet zum Einfallstor auf den US-Markt, der wie geschaffen schien für den vor Kraft nur so strotzenden Hard- und Boogie-Rock mit gutem Soul-Anteil, den die Gruppe bis 1970 ausgehärtet hatte. Framptons strahlendes ›Shine On‹ eröffnet das für viele wohl beste, zumindest stimmigste Studio-Album Rock On (1971).

Und doch ist es Steve Marriott, der die Aufmerksamkeit auf sich zieht: ›Stone Cold Fever‹ und der gigantische Heavy Blues ›Rollin’ Stone‹ geben auch auf Studio-Platte einen Eindruck davon, was diese von ihm angeführte Band auf der Bühne loszutreten verstand. Gerade ihre aufopferungsvollen und bis in die Haarspitzen energetisch aufgeladenen Konzerte wurden schnell zur Legende — und für Marriott zu Grenzerfahrungen, bei denen der Sänger sich gleich dreifach die Seele umkrempelte und dabei völlig verausgabte. Nachzuhören ist dies auch auf Performance: Rockin’ The Fillmore, das als eines der explosivsten Live-Alben überhaupt in die Geschichte eingeht.

Wenn es eine Platte gibt, die Rock On den Rang als beste Pie-LP ablaufen kann, dann Smokin’. Leadgitarrist Peter Frampton war längst durch Clem Clemson ersetzt worden; das Energie- und Härtelevel der 1972 erschienenen Platte ist um einiges höher als noch zwölf Monate zuvor. Ebenso der aus dem Soul kommende Groove: Herrlich verwegen tänzelt ihre Adaption von ›Road Runner‹, die nach ›30 Days In Hole‹ in einen famosen Blues-Jam hineingleitet.

Ein mitreißenderes Eröffnungsstück als ›Hot’n’Nasty‹ hatten sie nie, härter als das bebende ›The Fixer‹ haben Humble Pie den Heavy Blues nie wieder gespielt — ›Old Time Feelin’‹ kontrastiert als blendender Akustik- und Country-Blues.

Auch Eat It ist dabei: Die einstige Doppel-LP von 1973 ist mit ihren vier konzeptionell völlig unterschiedlich bestückten Seiten (neue Stücke mit starker Soul-Färbung, R&B-Cover-Versionen, Akustik-Songs und ein Konzertausschnitt) immer eine sehr spezielle Platte im Schaffen der Combo geblieben und mindestens für jeden Anhänger der Black Crowes von Interesse.

Auch die zunehmend kurzatmiger werdenden LPs Thunderbox (1974) und Street Rats (1975) sind in The A&M Boxset 1970-1975 vertreten, die von einer CD mit Abseitigem und vier noch unveröffentlichten Nummern komplettiert wird.

(8/10)
TEXT: DANIEL BÖHM

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