Als sich das Jahr 1990 dem Ende zuneigt, zweifelt niemand mehr daran, dass Faith No More eine goldene Zukunft bevorsteht: Über anderthalb Millionen Mal hatte sich ihr drittes Album The Real Thing alleine in den USA verkauft — angeschoben von der zweiten Auskopplung ›Epic‹, die mit den beiden anderen Singles ›From Out Of Nowhere‹ und ›Falling To Pieces‹ zum Inbegriff dieser ideenreichen Band wurde, die im Laufe der Jahre immer furchtloser Hardrock, Heavy Metal, Rap, Funk und bald auch avantgardistischen Prog fusionierte.
Plötzlich wurden Faith No More mit Erwartungen von allen Seiten konfrontiert. Ihre Plattenfirma witterte noch viel einträglicheren wirtschaftlichen Erfolg und scheuchte die Gruppe auf immer längere Konzertreisen, während die Presse sie als Anführer der neuen Crossover- und Alternative-Bewegung feierte. Körperliche wie geistige Erschöpfung trug erheblich dazu bei, dass das nächste Album dunkler und härter geriet.
Mike Patton hatte die wohl offensichtlichste Metamorphose durchlebt: Aus dem etwas welpenhaften Teen-Helden war ein erwachsener, unberechenbarer Künstler und Misanthrop geworden, der sich auf Angel Dust erstmals mit ganzer kreativer Wucht einbringen konnte. ›Malpractice‹ etwa, ein Stück über chirurgische Kunstfehler, verbindet in unorthodoxen Rhythmen heftige Metal-Breitseiten mit lärmiger Industrial- und Prog-Soundmalerei, während ›The Land Of Sunshine‹ mit slappendem Bass und stimmungsintensiven Mellotronfäden als durchgereifte Weiterführung von The Real Thing in sehr heavy durchgeht.
›Caffeine‹ ist ein kraftvoller und melodischer Song, in dem sich wuchtige Heavy-Gitarren durch einen kühlen Keyboardnebel fräsen. ›Kindergarten‹, ›Midlife Crisis‹ und ›A Small Victory‹ schlagen in eine ähnlich Kerbe. Zum größten Hit wird die Piano-Nummer ›Easy‹, die Lionel Richie in den Siebzigern für die Commodores geschrieben hatte und in der Patton demonstriert, welch großartiger Sänger er sein kann — wenn er denn will. In Europa wird das Stück erst der schnell nachgeschobenen zweiten Album-Auflage als Bonus angehängt.







